Der Präsident des Staatsrates
und der Regierung der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, schickt diesem zweiten
Gipfeltreffen des Südens eine Botschaft, die ich im Folgenden verlesen werde:
Exzellenzen!
Ich wäre gern bei dieser transzendenten
Versammlung mit euch zusammengekommen, welche gerade in Katar stattfindet,
einem Bruderland, mit dem mich, ausgehend von den herzlichen und solidarischen
Beziehungen, die wir mit seinem Volk, seiner Regierung und seinem
Staatsoberhaupt geknüpft haben, tiefgehende freundschaftliche Gefühle verbinden.
Jedoch andere unaufschiebbare Angelegenheiten
erlauben es mir nicht, zu diesem Treffen zu erscheinen. Wir begegnen den
Versuchen der Regierung der Vereinigten Staaten einem notorischen, geständigen
Terroristen Unterschlupf zu gewähren, der Flüchtiger der venezolanischen Justiz
ist, Verantwortlicher der Explosion eines kubanischen Zivilflugzeuges während
des Fluges und des Todes von 73 unschuldigen Menschen, unter vielen
anderen schrecklichen Terrorakten.
Kuba ist in eine energische Anklagekampagne
des Terrorismus vertieft, den unser Land während mehr als 45 Jahren erlitten
hat und der unserem Land das Leben von Tausenden seiner Söhne und Töchter und
unschätzbare materielle Verluste gekostet hat.
Wir kämpfen ebenfalls gegen die
Straflosigkeit wegen der abscheulichen Verbrechen, die in unserer Hemisphäre
unter dem Schutz der repressiven Programme wie dem so genannten „Operation Kondor“
in mehreren südamerikanischen Ländern begangen wurden, oder wegen der
schmutzigen Kriege und Massenkampagnen zur Ausrottung in Mittelamerika, und um
die wirklichen Schuldigen dieser monströsen Episoden aufzuzeigen. Ich musste Hunderte
von hervorragenden Persönlichkeiten empfangen, betreuen und mit ihnen zusammenkommen,
die unser Land in diesen Tagen besucht haben und von denen einige noch in Kuba
weilen.
Die der Welt durch die neoliberale
Globalisierung auferlegte Wirtschaftsordnung fordert von der Menschheit
unerbittlich Dutzende Millionen Menschenleben in den ärmsten Nationen der Erde.
Niemals zuvor gab es auf der Welt eine so tiefgehende
Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Die jetzige Weltwirtschaft schließt unsere
Länder bei der Ausbeutung ein und bei der Entwicklung aus.
Solcherart Ordnung verhindert die Entwicklung
der Länder des Südens, um das verschwenderische Konsumverhalten des Nordens,
die Aggression auf die Umwelt und die beschleunigte Erschöpfung der
Naturschätze des Planeten aufrecht zu erhalten. Der üppige Reichtum des Nordens
ist Ergebnis der wilden kolonialen und neokolonialen Ausbeutung des Südens.
Die jetzigen Auslandsschulden der Länder der
Dritten Welt wachsen weiter an, und trotzdem von 1982 bis 2004 insgesamt 5,4
Billionen Dollar gezahlt wurden, betragen sie jetzt 2,5 Billionen Dollar und
dienen weiterhin als Instrument dafür, dass der Internationale Währungsfond
wirtschaftliche Anpassung auferlegt, die gesellschaftlich katastrophal für
unsere Länder ist.
Wir bekommen weiterhin den rhetorischen
Diskurs über den freien Handel zu hören, aber die Zölle, welche die Vereinigten
Staaten ihrer Einfuhr aus Ländern der Dritten Welt auferlegen, sind um 20 Mal
höher als jene auf die entwickelten Länder angewendeten. Die wohlhabende Welt
verbraucht jährlich 300 Milliarden Dollar an staatlichen Stützungen für
landwirtschaftliche Erzeugnisse, die den Ländern des Südens den
Marktzugang verhindern, während sie mit
Scheinheiligkeit vom freien Handel spricht.
Auf dem nicht regulierten Finanzmarkt sind
die spekulativen Angriffe auf den Wechselkurs der Währungen etwas Gewöhnliches.
Von unseren Ländern wird Informationstransparenz gefordert, während die
Spekulanten sich hinter dem Geheimnis verstecken. Die Agenturen zur
Risikobestimmung drohen unseren Ländern mit schlechten Bewertungen, nachdem sie
US-amerikanische Unternehmen belohnten, die Protagonisten von betrügerischen Konkursen
waren. Diese Realitäten sind Ausdruck einer Wirtschaftsordnung, die nur dazu
auferlegt wird, die Interessen einer opulenten Minderheit zu verteidigen.
Das verschwenderische Konsumdenken steht auf
verletzende Art und Weise in Kontrast zur Armut und droht, die
Lebensbedingungen auf dem Planeten zu zerstören. Das Erdöl ist ein klares
Beispiel dafür.
Der verheerende Verbrauch dieses wichtigen
Energieträgers in den Vereinigten Staaten, wo ein Einwohner zwölf Mal mehr verbraucht
als ein anderer in der Dritten Welt, hält eine steigende Nachfrage aufrecht,
welche mit der Erschöpfung dieser
lebenswichtigen, nicht erneuerbaren Ressource droht.
Mit nur 5 Prozent der Weltbevölkerung
verbraucht dieses Land 26 Prozent des Erdöls.
Es muss mit vollkommener Klarheit und
Entschiedenheit gesagt werden, dass die wirkliche Ursache der fast
apokalyptischen Energiekrise, welche heute der Welt droht, der maßlose und
zügellose Verbrauch der wohlhabenden Länder und der von ihm geschaffenen absurden
und nicht nachhaltigen Konsumgesellschaften ist. Bei so einem Rhythmus der
Energieverschwendung kann das Angebot an Öl und Gas niemals die Nachfrage
befriedigen, denn die bewiesenen und möglichen Reserven sind am Erschöpfen.
Andererseits, nach mehr als 30 Jahren der
proklamierten und versprochenen Zielsetzung von 0,7 Prozent, überschreitet die
Entwicklungshilfe nicht einmal 0,2 Prozent und die der Vereinigten Staaten
beträgt 0,1 Prozent. Das im Jahr 2004 als Auslandsschuldendienst Bezahlte
betrug im Unterschied dazu mehr als 5 Mal das, was der Süden als offizielle Entwicklungshilfe
erhielt.
Es ist schon jetzt offensichtlich, dass die
bescheidenen Millenniums- Zielsetzungen nicht erfüllt werden.
Der Hunger bleibt für 852 Millionen Menschen
Realität, während eine Billion Dollar für Waffen ausgegeben werden, die dazu
dienen werden, die Hungrigen zu töten, aber nicht den Hunger zu beseitigen.
Fast ein Drittel der Kinder in der Dritten
Welt leiden an Wachstumsverzögerung und haben auf Grund der Unterernährung ein
geringeres Wachstum und Gewicht als normal.
Es sterben weiterhin jedes Jahr 13 Millionen
Mädchen und Jungen auf Grund von Krankheiten, denen man vorbeugen kann, während
eine weitere Billion Dollar für stumpfsinnige Verbraucherwerbung vergeudet
wird.
Fast eine Billion erwachsene Analphabeten und
325 Millionen Kinder, die nicht zur Schule gehen, zeigen, wie weit entfernt
diese Welt von der elementarsten Gleichheit und Gerechtigkeit ist.
Diese nicht zu rechtfertigende und unhaltbare
Welt kann nicht die Zukunft der Menschheit sein.
Vor den enormen Herausforderungen, welche die
Armut und die Ungerechtigkeit in der
jetzigen Welt darstellen, proklamiert der Präsident der Vereinigten Staaten das
Recht, vorbeugende und überraschende Kriege gegen 60 oder mehr Länder zu lancieren.
Er manipuliert die Vereinten Nationen. Erklärt ihre Charta für historisch
überholt und verschmäht das Völkerrecht. Er verwandelt die souveräne Gleichheit
der Staaten in widerwärtigen Hohn.
Vereinen wir, die immer Ausgeschlossenen, uns
also, um eine gerechte, gleichberechtigte und nachhaltige Weltordnung zu
gründen! Bewahren wir die Vereinten Nationen und stellen sie in den Dienst der
Völker! Verteidigen wir den Frieden! Kämpfen wir um unsere Rechte, bewusst,
dass wir Nichts gratis gespendet bekommen!
Trotz der enormen Hindernisse, glauben wir an
den Wert der Ideen und Prinzipien, vertrauen wir der Kampffähigkeit unserer
Völker!
Fidel Castro
Havanna, den 12. Juni 2005