Offene Tribüne der Jugend und Studenten bei der internationalen Podiumsdebatte zu den Fällen Mumia Abu-Jamal und Shaka Sankofa im Studio des kubanischen Fernsehens am 19. Juni 2000.
Randy Alonso:
Guten Tag, liebe Fernsehzuschauer und Rundfunkhörer.Wer sich im US-amerikanischen Rechts- und Strafsystem auskennt, den wundert es zwar nicht, doch es schmerzt und bestürzt, daß ein sechsjähriges kubanisches Kind willkürlich zurückgehalten und der ungerechtfertigten Schikane ausgesetz wird, weit entfernt von seiner Heimat zu weilen.
Die Fälle von Justizirrtum, Verurteilung aufgrund der Hautfarbe oder Mittellosigkeit, Benutzung falscher Zeugenaussagen, Schikanen in den Strafvollzugsanstalten sind in der US-amerikanischen Gesellschaft nichts Außergewöhnliches.
Bei unserer heutigen Podiumsdebatte werden wir zu diesen Themen sowie über einige Fälle sprechen, die das Augenmerk der Öffentlichkeit, besonders des kubanischen Volkes, verdienen. Speziell betrachten werden wir den Fall Mumia Abu-Jamal, Journalist und aktives Mitglied der politischen Bewegung der Schwarzen in Philadelphia, der vor 18 Jahren der Tötung eines weißen Polizisten angeklagt und zum Tode verurteilt wurde.
Bei dieser unserer heutigen Podiumsdebatte ist eine ganz besondere Gruppe von Teilnehmern zugegen.
Hier anwesend sind heute nachmittag Frau Pam Africa, Koordinatorin der Organisation International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal; Rosemari Mealy, New Yorker Anwältin und mit Mumia befreundet, außerdem wichtige Aktivistin der afroamerikanischen Gemeinschaft in der Stadt New York; Leonard Weinglass, renommierter Anwalt einer New Yorker Kanzlei, Absolvent der Yale University. Herr Weinglass ist der Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal.
Ebenfalls begleiten uns Frau Gloria Rubac, Aktivistin und Mitglied in der Bewegung gegen die Gefängnissverhältnisse und die Todesstrafe in Texas; Frau Gloria La Riva, die bereits bei anderen Podiumsdebatten zugegen war, zur Gewerkschaftsführung in Kalifornien gehört und Mitglied des International Action Center ist. Gloria ist lange Zeit in der Kuba-Solidarität aktiv gewesen. Herr Lennox Hinds, Dozent für Rechtswissenschaft an der Rutgers University und renommierter Anwalt in den Vereinigten Staaten; Monica Moorehead, Mitglied der Führung der Partei der Arbeitswelt und Präsidentschaftskandidatin der Vereinigten Staaten für diese Partei.
Das sind also heute Nachmittag unsere Teilnehmer. Wie Sie feststellen werden, trägt diese Podiumsdebatte ganz spezifische Züge. Für unsere Fernsehzuschauer wird es Simultandolmetschen geben, damit sie hören und verstehen können, was bei dieser Podiumsdebatte zur Sprache kommt, von der ich meine, daß sie für uns, für unser Volk, von großer Bedeutung ist und damit sie des Pudels Kern der US-amerikanischen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit näher kennenlernen.
Zufälligerweise war es das heutige Datum, an dem vor 47 Jahren um 20.00 Uhr das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg, Opfer des kalten Krieges und des politischen und Rechtssystems der USA, in jenem Land hingerichtet wurden. Sie ließen zwei kleine Jungen zurück. Der eine, Robert, war bei ihrem Tode erst sechs Jahre alt so wie heute unser Elián González Brotons. Es war dies eins der grauenvollsten Verbrechen unserer Zeit. Nach ihnen kamen weitere Opfer, eines davon ist Mumia Abu-Jamal.
Was fühlte dieser Journalist und aktive politische Kämpfer, nachdem er zu Unrecht zum Tode verurteilt worden war?
Sehen wir uns diese Video-Aufzeichnung an, in der er seine Gefühle ausdrückt.
Mumia Abu-Jamal: Ich bin absolut schuldlos hinsichtlich der Verdachtsgründe, die mir vorgeworfen werden. Ich bin dessen, wessen man mich anklagt, nicht schuldig.
Journalist: Was fühlten Sie, als Sie 1982 zum Tode verurteilt wurden?
Mumia Abu-Jamal: Ich glaube, ich spürte Wut, grenzenlose Wut. Ich hatte das Gefühl, die Ungerechtigkeit dringe bis in mein tiefstes Inneres. Zorn, Ungerechtigkeit, Schmach, Angst; diese Mischung von Gefühlen drang von allen Seiten auf mich ein, doch ich hatte die Gewißheit, daß sie nicht andauern dürfen, die Gewißheit, daß der Spieß umgedreht wird; und ich glaube es immer noch.
Randy Alonso: Jene waren die Aussagen Mumias, darüber, wie er sich fühlte, als er erfuhr, daß ihm zu Unrecht die Todesstrafe ausgesprochen worden war.
Pam, Sie die Sie Mumia kennen und damals in Philadelphia waren, sagen Sie, welches Klima herrschte dort, in welchem Kontext lebte man in Philadephia zu jenem Zeitpunkt, als Mumia zum Tode verurteilt wurde?
Pam Africa: Es war die Zeit - und ist es noch - einer der brutalsten, tyrannischsten und rassistischsten Regierungen der Welt. Mumia wollte den Rassismus und die Brutalität der Regierung in der Person von Bürgermeister Rizzo in Philadelphia unter Anzeige stellen.
Damals war ein junger Neger namens Cornell Warren, als er von seiner
Arbeit
kam, mit den Händen auf dem Rücken in Handschellen gelegt und hinter das
afroamerikanische Museum gebracht worden. Dort erhielt er hinterrücks und wohlüberlegt
einen Kopfschuß.
Winston X Hood, ein weiterer Neger, wurde roh verprügelt und danach hingerichtet. Nicht einer jener Polizisten hat jemals auch nur einen Tag im Gefängnis verbracht.
José Reyes, ein Lateinamerikaner, wurde vor den Augen seiner Frau zu Tode geschlagen.
Mumia wollte all diese Dinge anzeigen, als er mit der Organisation MOVE Kontakt aufnahm. Damals deckte die Regierung gerade den brutalen Mod an einem drei Wochen alten Baby, Life Africa von der Organisation MOVE und Mumia sagte, dies sei ihm bis in die Seele gedrungen und er wolle es nun vor Gericht bringen und Anzeige erstatten. Es sei eine absolute Ungerechtigkeit.
Mumia begann, sich den Prozessen der Organisation MOVE zuzuwenden. Kurz darauf überfiel die Regierung von Bürgermeister Rizzo den Sitz der Organisation. Allen Beweisen und der breiten Unterstützung durch die Gemeinschaft zum Trotz wurde klar und deutlich erklärt, MOVE sei eine revolutionäre Organisation und verfolge das Ziel der Aufdeckung der Ungerechtigkeiten.
Was Mumia und auch andere sahen, war der brutale Überfall; die Absicht, Menschen vor den Augen aller zu ermorden. Dazu sagten sie, die von ihnen getöteten Schwarzen, hätten die Regierung angegriffen, die Polizei überfallen. Doch was Mumia sah und was der Welt gezeigt wurde, war die Tracht Prügel, die Delbert Africa versetzt bekam; ein Mann mit erhobenen Händen und unbewaffnet wurde vor aller Welt beschuldigt, einen Revolver und einen Karabiner zu tragen. Mumia hat sich in diesen Fall verwickelt und wurde deshalb von der Regierung verfolgt.
Rosemari Mealy: Randy, wenn ich noch etwas zu Mumia vor seiner Mitarbeit in der Organisation MOVE sagen darf? Ich möchte das Publikum in das Jahr 1967 zurückführen. In Philadelphia demonstrierten 3 000 Schüler und Studenten vor dem Rat für Erziehung jener Stadt mit Forderungen nach einem Kulturplan für schwarze Bürger. Damals war Mumia 13 bis 14 Jahre alt und stand in gewisser Hinsicht an der Spitze jener Bewegung.
Ich würde sagen, daß Mumia schon sehr früh der Polizei von Philadelphia bekannt war, wie aus Dokumenten und Archiven des FBI hervorgeht, die sein Anwalt heute hier darlegen wird. Beide waren wir damals Mitglieder der Black Panthers Party in Philadelphia und Mumia bekleidete eine Leitungsfunktion noch bevor er 16 Jahre alt war. Philadelphia war zu jener Zeit als eine der schlimmsten Städte bekannt. Es gab Überfälle auf Gruppen und Organisationen, die es wagten, gegen die Brutalität der Polizei jener Stadt vorzugehen.
Pam nannte Tötungen, doch es kam zu noch vielen weiteren, wonach dann Mumia an der Spitze der Black Panthers Party die Mitglieder der Partei organisierte, um die Gemeinden zu besuchen und jene Polizisten zu identifizieren, die des Mordes an Jugendlichen der Stadt bezichtigt wurden. Er organisierte uns für die Anfertigung von Postern mit den Bildern von jenen Polizisten. Die Poster verteilten wir dann in der ganzen Stadt. Das machte die Regierung von Bürgermeister Rizzo wütend, und wieder einmal wurde Mumia als Lider angesehen.
Später organisierte die Black Panthers Party eine revolutionäre Konvention in Philadelphia. Zu diesem Zeitpunkt wollten wir die Verfassung der Vereinigten Staaten neu schreiben aufgrund der Realitäten, vor denen unsere Gemeinschaft in den USA stand. Erneut organisierte die Regierung Rizzos, die in schmählichem Bündnis mit dem FBI stand, eine abgekaterte Attacke auf die Black Panthers Party und überfiel unsere Organisation. Sie beabsichtigten in gewisser Hinsicht, die afroamerikanische Gemeinschaft gegen die Mitglieder der Black Panthers Party zu stimmen. Die Männer der Black Panthers wurden gezwungen, sich auf den Straßen ihrer Kleidung zu entledigen. Wir Frauen wurden unter dem Vorwand der Durchsuchung entkleidet, und da sagte der Bürgermeister: "Habt ihr gesehen, was ich getan habe? Ich habe diese Mitglieder der Black Panthers Party festgenommen, und nicht einmal ihre Hosen hatten sie an." Es war dies eine wohlüberlegte Absicht der Untergrabung und Zerstörung der Partei, denn die Parteiführung war zum Gefängnisaufenthalt gezwungen, es sei denn, es konnten hohe Kautionssummen eingebracht werden. Mit 15 Jahren war Mumia Lider der Black Panthers Party, und das brachte den Polizeiapparat in Rage.
Nachdem er Journalist geworden war, machte er von jenen Medien Gebrauch und brachte in der Zeitung der Black Panthers Party aller Welt zur Kenntnis, was sich in jener Stadt abspielte. Natürlich machte dies die Polizei und den Bürgermeister wütend, und das ging so weit, daß er, wie der FBI meinte, als eine Bedrohung für die Gemeinschaft hingestellt wurde und verhaftet werden müsse. Von diesem Zeitpunkt an wurde er durch sein Verhältnis zur Organisation MOVE von den Machthabenden jener Stadt als aktives Parteimitglied, als ein Revolutionär registriert.
Randy Alonso: Danke, Rosemari, für deine Darlegungen. Du warst mit Mumia befreundet, hast ihn auch in der Haft weiterhin besucht, und ich glaube, es ist sehr wichtig, daß neben Pam auch du uns eine Vorstellung vermitteln konntest, wer Mumia war, wie es in Philadelphia damals, im Jahr 1982, aussah, als Mumia zu Unrecht verurteilt wurde. Wir sollten uns nun auch ein von dem Sender HBO zusammengefaßtes Material ansehen, wo Mumia selbst erzählt, wie ihm jene Nacht, in der das angebliche Verbrechen geschah, in Erinnerung ist.
Journalist: Das der Realität jener Nacht am nächsten kommende ist in Ihrem neuesten Buch enthalten, in dem Jamal, vom Subrealen bis fast zum Abstrakten
gehend, seine Gefühle nach dem Verlust und der Wiedererlangung des Bewußtseins, nachdem er verletzt worden war, beschreibt.
Mumia: Mir ist, als schliefe ich, denn mein Geist scheint nicht, wie alles andere von mir, zu schlafen. Die Zeit scheint langsamer, fließender, weniger drückend zu sein; ich fühle mich seltsam leicht. Ich blicke nach unten und sehe einen Mann an der Ecke liegen, den Kopf auf die Brust gesenkt, den Blick nach unten: Donnerwetter! Das bin doch ich.
Ein Schauder des Erkennens ergreift meinen ganzen Körper. Ein Polizist nähert sich dem Mann, tritt ihm ins Gesicht. Spüre ich es? Nein, ich spüre es nicht. Weitere drei Polizisten reihen sich ein in den Reigen und beginnen, ihn zu treten, mit dem Knüttel zu schlagen jene gefallene, blutende Masse in Handschellen. Zwei der Polizisten zerren ihn an den Armen hoch und stoßen ihn mit dem Kopf gegen einen Stahlpfosten. Er fällt zu Boden. "Papa?" "Ja, Kleines?" "Warum schlagen dich diese Männer so?" "Hab keine Angst, mir passiert schon nichts." "Aber Papa, warum tun sie das? Warum haben sie auf dich geschossen, dich mit Füßen getreten und geschlagen?" "Ich glaube, mein Kleines, sie hatten das schon lange vor. Doch mach dir nur keine Sorgen. Papa befindet sich wohl. Du kannst es selbst sehen, ich spüre gar nichts.
Als ich zu mir komme, liege ich in Handschellen. Mein Atem ist süß und hat den starken metallischen Geschmack des Blutes. Um mich ist Dunkelheit; ich liege auf dem Boden eines Bereitschaftswagens, eine gewürgte anonyme Masse neben dem Radio. Ich verspüre keinen Schmerz, nur den Druck, der jeden blutigen Atemhauch erschwert.
Ich bin auf dem Weg zum Gebäude des Innenministeriums, vermutlich auf dem Weg in den Tod.
Randy Alonso: Wir haben die Schilderung vernommen, die Mumia in einem seiner Bücher von jener düsteren Nacht gibt, die für ihn das ungerechte Urteil der Todesstrafe bedeutet hat.
Leonard, Sie waren Mumias Hauptanwalt. Wie ist dieses Gerichtsverfahren verlaufen? Welche Regelwidrigkeiten wurden begangen, und welche Schritte sind in diesem Prozeß getan worden?
Leonard Weinglass: Der Fall Mumia ist die Widerspiegelung einer langen Geschichte von Prozessen mit Todesurteil gegen US-amerikanische Neger in den Vereinigten Staaten. Leider stehen wir heute noch vor der gleichen Situation.
Der 28jährige Afroamerikaner Mumia war des Mordes an einem weißen
Polizisten angeklagt. Dieser Prozeß brachte - ebenso wie die Prozesse vieler anderer
in ähnlicher Lage - drei Faktoren ans Tageslicht, aufgrund derer diese Verfahren
aus welcher Betrachtungsweise auch immer - so ungerecht verlaufen: die Rasse, die Klasse
und die Politik.
Hinsichtlich der Rasse ergab eine Studie des Bundesrechnungshofes als renommierteste Institution der Vereinigten Staaten, daß in den Prozessen mit Antrag auf Todesstrafe die Rasse einen unbestreitbaren Faktor darstellt. Das zeigt sich an den Häftlingen im Todestrakt. In der Stadt Philadelphia, aus der Mumia gebürtig ist, befinden sich 126 Personen im Todestrakt; davon sind nur 13 Personen weißer Hautfarbe.
Betrachtet man die Geschichte der Vereinigten Staaten, so hat es in den 200 Jahren Republik 18 000 Hinrichtungen gegeben, davon waren nur 38 Hinrichtungen von Personen weißer Hautfarbe, die des Mordes an Farbigen angeklagt waren. Es geht also nicht nur um die Rasse des Angeklagten, sondern auch um die des Opfers. In den Vereinigten Staaten ist das Leben eines Weißen offensichtlich viel mehr wert als das eines Schwarzen.
In bezug auf die Klassen zeigt sich erneut und unleugbar, daß unter den 3600 Männern und Frauen in den Todestrakten der US-Gefängnisse keine Millionäre zu finden sind, kein Angehöriger der oberen Mittelschicht. Mumia ist de facto sogar einer der wenigen aus der Mittelschicht.
Diese Insassen der Todestrakte sind im wesentlichen die Ärmsten der Armen, das Produkt all jener, die unter den miserabelsten Wohnverhältnissen in den Vereinigten Staaten leben, mit den geringsten Bildungsmöglichkeiten, der schlechtesten medizinischen Betreuung, unter den schlechtesten Umweltverhältnissen.
Eine Studie zu diesen 3600 Personen ergab, daß 90 % in ihrer Kindheit Opfer von Notzucht und physischer Gewalt wurden. Daher sind sie von allen Bürgern des Landes die machtlosesten, und in ihren Prozessen hängen sie davon ab, daß sie vom Staat einen Pflichtverteidiger gestellt bekommen, denn sie verfügen über keinerlei Mittel, selbst einen Verteidiger zu bestellen und, wie auch im Falle Mumia, ist das für die Verteidigung nötige Geld nicht vorhanden. Mumia hatte keinen Ermittler, als der Prozeß begann. Er bekam kein Geld für einen Sachverständigen, für einen Experten in Feuerwaffen, für einen Arzt; und sein Anwalt, ein pathetischer Mensch, der jetzt seiner Lizenz zur Berufsausübung verlustig ging, hat keinerlei Ermittlung angestellt, mit keinem Zeugen gesprochen und hat eingestanden, daß er für diesen Prozeß sehr schlecht vorbereitet war.
Sie haben bereits gehört, welchen Einfluß die Politik im Falle Mumias hatte. Pam und Rosemari haben sich dazu geäußert. In diesem System ist das bei der Mehrzahl der Fälle so. Der Staatsanwalt, der entscheidet, ob über einen Fall die Todesstrafe verhängt werden soll oder nicht, ist ein gewählter Beamter; und für seine Wahl rechnet er mit der Unterstützung der Polizeigewerkschaft. Er ist ein Mensch, der nicht an den Fall als eine Frage von Gerechtigkeit, sondern an die nächsten Wahlen denkt.
Der Staatsanwalt, der Mumias Todesurteil aussprach, wurde Bürgermeister von Philadelphia und ist augenblicklich der Vorsitzende der Demokratischen Partei. Hätte er sich dafür entschieden, Mumia nicht abzuurteilen, wäre er kein Bürgermeister geworden und auch nicht Vorsitzender der Demokratischen Partei. Also sind in der Mehrzahl dieser Fälle die politischen Ambitionen ein Fakt. Selbst im Mumia-Prozeß benutzte der Staatsanwalt die politischen Erklärungen, die Mumia zwölf Jahre zuvor, als er 16 Jahre alt war, abgegeben hatte; und er benutzte sie, um die - mehrheitlich weißen - Geschworenen davon zu überzeugen, daß Mumia nicht nur ein des Mordes beschuldigter Neger, sondern auch ein gefährlicher politisch Radikaler war.
Laut dem Obersten Bundesgericht der USA darf die politische Mitgliedschaft eines Menschen nicht dazu benutzt werden, um über ihn die Todesstrafe zu verhängen. Doch das ist in diesem Fall geschehen, und bis heute ist es so angenommen worden. Sein Fall wurde einem Richter übergeben, der, verglichen mit allen anderen Richtern der Vereinigten Staaten, die meisten Menschen in den Todestrakt gebracht hat. Er hat - und das ist Fakt - die doppelte Anzahl in den Todestrakt geschickt als jener Richter, der augenblicklich den zweiten Platz in dieser Hinsicht einnimmt. Dieser Mensch hatte zuvor einen unschuldigen Mann für mehr als zehn Jahre ins Gefängnis gebracht. Danach wurde festgestellt, daß der Mann das Opfer eines Justizirrtums war.
Die Polizei hat die Zeugen Mumias bedroht, und jetzt äußerte eine damals als Zeuge aufgetretene Frau, daß sie bei ihrer Zeugenaussage gelogen habe, da sie von der Polizei bedroht worden sei. Weitere zwei Personen sagten, sie haben nicht ausgesagt, da sie von der Polizei für den Fall einer Aussage zugunsten Mumias bedroht worden seien.
Der ranghöchste Beamte am Schauplatz des Verbrechens um Mumia wurde der Korruption beschuldigt und seines Amtes enthoben. So war das Ganze also eine Kombination aus dem Vorurteil des Gerichts und der Unwirksamkeit von Mumias Anwalt, der nicht dessen eigene Zeugen benannte, nicht einmal seinen Bruder, der als Zeuge hätte auftreten müssen. Jahre darauf versuchten wir, seinen Bruder aussagen zu lassen - ich hatte ihn bestellt -, doch der Richter sagte, würde der Bruder zur Zeugenaussage erscheinen, dann käme er aufgrund der gegen ihn vorliegenden Anschuldigungen ins Gefängnis. Mumias Bruder sagte mir, daß, käme er nach seiner Aussage für seinen Bruder ins Gefängnis, die Polizei ihn töten würde. Daher nahm er davon Abstand.
Im Augenblick, nachdem nun 18 Jahre vergangen sind, liegt der Fall bei einem Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten. Es ist das erste Mal, daß Mumia vor einem Richter steht, der nicht gewählt worden ist und der sein Amt auf Lebenszeit bekleidet.
Wir haben separat 29 Gesuche (Klageanträge) eingereicht, in denen wir um ein neues Gerichtsverfahren für Mumia ersuchen. All diese Anträge sollen ihm ein neues Gerichtsverfahren ermöglichen und wir haben Hoffnung, daß uns dieser Richter noch vor Jahresende eine Antwort gibt und wir Mumia für ein neues Verfahren mit neuen Geschworenen und einem neuen Richter vor Gericht führen können, der dann entscheidet, ob er unschuldig ist oder nicht.
Wir sind überzeugt, daß seine Schuldlosigkeit aufgeklärt wird. Doch jetzt stehen wir vor einem Problem, und zwar kam es 1996 zu einer Gesetzesänderung, die derartig ausfiel, daß sich nun das Einlegen von Mumias Berufung - auch beim Bundesgerichtshof - äußerst erschwert hat.
Vor dem gleichen Problem steht Shaka in Texas. Vor 1996 hätte es für Mumia gute Möglichkeiten gegeben, daß ein neues Verfahren eröffnet wird, doch unter den jetzigen Bedingungen wird es sehr schwer werden.
Wir sind besorgt und kümmern uns. Auch hat es eine breite Mobilisierung in den USA und anderen Ländern zur Rettung Mumias gegeben. Wir hoffen, daß dieser Bundesrichter nach letztendlicher Anhörung aller Beweise den Mut aufbringt, das Gesetz von 1996 unberücksichtigt zu lassen und Mumia das gewährt, was er eigentlich seit 18 Jahren verdient hat, nämlich die gerechte Gelegenheit, seine Schuldlosigkeit zu beweisen.
Randy Alonso: Nun sprachen Sie auch davon, daß in den Anklagen zu den Delikten, derer die Personen beschuldigt werden, Mittellosigkeit und Rasse ganz offensichtlich eine ziemliche Rolle spielen.
Ich las ein paar Angaben von Joel Olson, Herausgeber US-amerikanischer Zeitungen. Ihm zufolge ist es in den USA ein Verbrechen, arm zu sein; und je ärmer man ist, desto krimineller wird man eingeschätzt. Fünf Millionen US-Bürger sind obdachlos, 37 Millionen haben keinen Zutritt zur Krankenversicherung, 30 Millionen sind Analphabeten und weitere 30 Millionen sind Halbanalphabeten, mehr als eine Million Personen befinden sich in Haft und 20 % der Bürger leben unter der Armutsgrenze. All diese Daten sind Bestandteil jenes Umfeldes, in dem sich Rechtswesen und Polizeiapparat bewegen, und natürlich ist es von stark rassistischer Prägung.
Doch nun interessiert mich auch, Leonard , wer Sabo ist,- denn von ihm wird viel geredet und wer das Material am vergangenen Mittwoch zum Fall Mumia gesehen hat, konnte in diesem Zusammenhang auch den namhaften Richter Sabo sehen, auf dessen Konto Mumias Verurteilung geht und der wiederholt den Berufungsantrag abgelehnt hat -. Wer ist dieser Mensch, was ist aus ihm geworden?
Leonard Weinglass: Richter Sabo wurde vom Obersten Gericht des Staates Pennsylvanien gezwungen abzutreten. Doch vorher hatte er im Fall Mumia den Schaden bereits angerichtet. Man hatte gewartet, bis sein Urteilsspruch gefallen war, der dem Berufungsantrag Mumias äußerst abträglich war, und erst nach seiner Urteilsverkündung zwangen sie ihn abzutreten. Er hätte müssen schon seit langem abgesetzt werden.
Bevor jener Mann das Richteramt antrat, war er 16 Jahre lang ein hoher Polizeibeamter gewesen. Auch in der Richterrobe fühlte er sich weiterhin als solcher. Er war Mitglied der gleichen Polizeigewerkschaft, der auch das angebliche Opfer des Falles Mumia angehörte. Wir ersuchten ihn, den Fall abzugeben, denn seine Beteiligung war nicht unparteiisch, doch er lehnte ab. Mit dem Prozeß hat er bereits nichts mehr zu tun. Wenn es zu einem neuen Verfahren kommt, wird Mumia einen anderen Richter haben. Doch seine diskriminierenden und schädigenden Handlungen in diesem Fall sind uns noch heute abträglich.
Randy Alonso: Ihnen zufolge wurde der Fall Mumia neben einem Prozeß der Diskriminierung auch zu einem politischen Prozeß.
Leonard Weinglass: Ich bin voll und ganz der Meinung, daß der Fall Mumia von Anfang an ein politischer Fall gewesen und es auch geblieben ist; und jetzt wird Mumia außerordentlich viel Unterstützung zuteil. Er ist das einzige ex-Mitglied der Black Panthers Party, das sich in den Vereinigten Staaten in einem Todestrakt befindet. Er ist der einzige Rundfunkjournalist, der sich in den Vereinigten Staaten in einem Todestrakt befindet. Er ist der Autor dreier Bücher, besitzt einen Mastertitel der California University, ist Sprecher bei Abschlußfeierlichkeiten von Absolventen. Er hat Hunderte von bereits veröffentlichten Artikeln verfaßt; und es steht außer Zweifel, daß es sich hier um einen politischen Fall von Ruf handelt.
Randy Alonso: Ich unterstreiche, denn die wir hier in diesen Monaten an den Podiumsdebatten beteiligt gewesen sind, haben mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß der Fall Elián bei den US-amerikanischen Gerichten auch zu einem politischen Fall geworden ist; und in diesem Sinne gibt es offensichtlich Präzendenzfälle. Es ist m.E. wichtig, daß wir Nachdruck auf dieses Thema legen.
Leonard, sie sprachen über die um den Fall Mumia entstandene Solidaritätsbewegung. Pam ist Koordinatorin einer jener Organisationen, die diese Solidaritätsbewegung ins Leben gerufen und unterstützt hat.
Was meinen Sie Pam, welche Bedeutung hat diese Solidaritätsbewegung für den Fall Mumia gehabt? Wie ist sie organisiert worden?
Pam Africa: Diese Solidaritätsbewegung nahm ihren Anfang in Philadephia und erfaßte nach und nach die ganze Welt; Menschen wie Frankreichs Präsident Jacques Chirac, die Gewerkschaften ... Am 24. April, dem Tag des Aktes "Millionen
Menschen für Mumia" blockierten an der Westküste die Gewerkschaften im Namen Mumias das gesamte Verschiffungsgebiet. An der Bewegung sind die Gewerkschaften beteiligt, die Studenten, die die Regierung herausforderten und zu vermeiden versuchten, daß man sich gegen Mumia aussprach. Da war der Landesverband der Schwarzen Polizisten, die in dem Fall Nachforschungen angestellt hatten und fanden, Mumia verdiene ein neues Verfahren. Sie rügten eine Regierung, dort wo die Gewerkschaften die gesamte Westküste lahmgelegt hatten. Es gibt Präsidenten, es gibt Bürgermeister - der Bürgermeister von San Francisco, der seinen Posten riskiert und erklärt, daß es kein gerechtes Verfahren gegen Mumia gegeben hat - die ein gerechtes Verfahren fordern; Menschen demonstrierten, ab 1995 die Konvention der Gouverneure tagte, kurz nachdem Gouverneur Ridge das Todesurteil Abu-Jamals unterzeichnet hatte, und Farbige, Weiße, Personen von Rang und Stand demosntrierten vor der Tagung der Gouverneure, wie wußten, daß wir uns mit der CIA und dem FBI konfrontierten, mit allen, die an der Macht sind und über Waffen verfügen, die sie gegen uns einzusetzen nicht zögern würden. Als diese Menschen zum Gouverneur gingen, kam es zu einer sofortigen Unterbrechung der Tagung.
Als der Präsident in San Francisco weilte, gingen ebenfalls Tausende Menschen auf die Straßen und protestierten für Mumia; und als man den Präsidenten einige Häuserblocks weiter wußte, ging man dorthin um zu protestieren. Auch Studenten demonstrierten und wurden brutal geschlagen und eingesperrt, und die Bewegung wächst und wächst. Mumias Wunsch ist es stets gewesen, die Ungerechtigkeit kundzutun; und eben das ist es, was er getan hat. Er hat nicht nur die Ungerechtigkeit der Polizei von Philadelphia, sondern die gesamte Brutalität der Vereinigten Staaten bloßgestellt, und das vor aller Welt. Die Bewegung ist wahrhaftig eine riesengroße.
Rosemari Mealy: Wir dürfen nicht vergessen, daß Mumia bereits vor seiner Festnahme begonnen hatte, die Korruption in den Reihen der Polizei von Philadelphia zu recherchieren, und seine Kommentare dazu waren über die Rundfunksender zu hören, so daß die Bundesregierung gelegentlich gegen die Polizei von Philadelphia ermitteln mußte. Also wurden - wie vielen Anwälten hier bekannt ist - die von den Gerichten verurteilten Personen freigelassen. Doch Mumia wurden wegen der Kraft seiner Stimme und seiner Feder die Kommentare in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verboten. Selbst im Todestrakt gilt er noch als eine Bedrohung; ebenfalls sein letztes Buch All Things Censored (Alles wird bestraft). Sie wollten seine für den öffentlichen Rundfunk vorbereiteten Kommentare vermeiden und stützten sich dabei auf die Bemühungen des Bruderordens der Polizei - diese Organisation vertritt die Polizei im Landesmaßstab. So ist dieser Starjournalist, dem als Journalisten Preise zuteil wurden, eine sehr ernste Bedrohung für sie.
Pam Africa: In seinen Büchern beschreibt er nicht nur das Vorgehen
gegen
die Schwarzen im allgemein, sondern auch gegen schwarze Beamte, gegen
Kongreßmitglieder, Ehefrauen usw., die die Armen, die Mittellosen beköstigten, die in Philadelphia im U-Bahnschacht unter der Erde lebten. Die Polizei ging gegen sie vor. In seinen Büchern steht von den Nachteilen, die man hat, wenn man arm ist; von den Schlägen, die an die Armen ausgeteilt werden.
Aus seinem Todestrakt heraus schreibt Mumia darüber; auch über die Ehefrau eines Senators, die, in ihrem Wagen fahrend, festgenommen wurde und bei der die Polizisten die Scheiben ihres Wagens einschlugen. Erneut stellt Mumia die Korruption bloß, in diesen Büchern, damit die Welt von dieser Korruption erfährt; auch die Ermordung von Häftlingen in den Strafvollzugsanstalten.
Das ist aber nicht der Grund für ihr Veto gegen die Bücher Mumias. Ihre Anfechtung begründen sie nicht damit, daß er über die Korruption im System gelogen habe. Sie erheben Einspruch gegen die Bücher, damit er nicht länger die Wahrheit verbreitet. Doch niemals wurde er zu lügen bezichtigt.
Randy Alonso: In dieser von euch erwähnten Solidaritätsbewegung sind auch die kubanischen Organisationen aktiv gewesen: Der Nationale Verband der Schriftsteller und Künstler Kubas (UNEAC), der Journalistenverband Kubas (UPEC), das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) und der Nationale Juristenverband haben mehrfach Erklärungen für die Freilassung von Abu-Jamal abgegeben. Das gleiche taten auch einige internationale Organisationen mit Sitz in Havanna wie die Organisation der Lateinamerikanischen und Karibischen Studenten (OCLAE) und die Organisation für Solidarität mit den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas (OSPAAAL), von denen einige Vertreter heute als Gäste dieser Podiumsdebatte zugegen sind.
Es wurde der spezifische Fall Philadelphia angesprochen. Nach einer mir vorliegenden Information sind nur 9 % der Bevölkerung Pennsylvaniens Afroamerikaner, doch der Anteil der Todeskandidaten beträgt fast das Siebenfache, d.h. 62 %. Diese gilt als die höchste Kennziffer von Rassenungleichheit in einem der Einzelstaaten. Eine Studie der Universität Iowa von 1998 ergibt andererseits, daß ein in Philadelphia aufwachsender Jugendlicher 11,5mal mehr als in Georgia, Alabama und anderen Südstaaten mit mehrheitlich Negerbevölkerung Gefahr läuft, im Todestrakt zu enden. In diesem Kontext verlief und verläuft weiterhin der Fall Mumia Abu-Jamal.
Mir wird gesagt, es gibt einen Telefonkontakt in unserer Interzentrale. Dort hat der Journalist Miguel Angel Masjuán Verbindung zu Jeff Mackler aufnehmen können, der eine der Vereinigungen für Solidarität mit Mumia Abu-Jamal leitet.
Hallo, Masjuán.
Miguel A. Masjuán: Sehr gut, wir haben Jeff Mackler in der Leitung. Er ist Direktor der Organisation Mobilmachung für die Befreiung von Mumia Abu-Jamal und einer der für seine Verteidigung wirkenden Landeskoordinatoren. Wir haben mit ihm Verbindung aufgenommen, uns etwas unterhalten, und er wird uns jetzt seine Eindrücke zu den neuesten Ereignissen vermitteln.
Herr Mackler, wie fühlen Sie sich heute?
Jeff Mackler: Danke, gut.
Miguel A. Masjuán: Es freut mich, mit Ihnen zu sprechen. Was können Sie uns über Mumia und die neuesten Ereignisse sagen?
Jeff Mackler: Also, ich habe Mumia am Montag, den 12. Juni, besucht und muß sagen, sein Lebensmut ist sehr gestärkt. Er hat die in den USA eingesetzte Debatte über seinen Fall und über die Todesstrafe ganz aus der Nähe verfolgt; denn es ist klar geworden, daß der Unschuldigen viele sind, die von dem System der sogenannten Strafjustiz der Vereinigten Staaten zur Hinrichtung bestimmt sind.
Mumia sorgt sich um das Leben von Gary Graham, dessen afrikanischer Name Shaka Sankofa ist und dessen Hinrichtung für den 22. Juni vorgesehen ist. Gary Graham ist unschuldig. Es gibt sieben Augenzeugen, die beweisen können, daß er die Person, deren Todes er angeklagt ist, gar nicht getötet haben kann. Doch ein Gesetz verbietet die Vorlage dieser Information, denn die dafür festgelegten 30 Tage nach der Urteilsverkündung sind verstrichen; Gary ist seit mehr als 20 Jahren in Haft.
Mumia ist ein beeindruckender Mensch. Er hat die Debatten zum reaktionären Charakter des US-Rechtssystems verfolgt. Er hat die Aktionen der breiten Massen und die Kundgebungen einer ganzen Generation verfolgt, die für die demokratischen und Menschenrechte in den Vereinigten Staaten kämpft.
Er stand an der Spitze im Kampf gegen die Hinrichtung der 3600 Menschen, die in den USA auf der Todesliste stehen. Er hat die Zeit in der Haft so gut wie möglich genutzt, liest jede Art Bücher, Geschichte, Literatur; und natürlich haben wir ihn über dieses Fernsehprogramm Kubas informiert. Er hat sich sehr gefreut und mich gebeten, dem kubanischen Volk seinem Kampf für die demokratischen und Menschenrechte seine Grüße zu bestellen.
Sie wissen, daß Mumia selbstverständlich - so wie viele andere in den Vereinigten Staaten - auf Seiten Eliáns und seines Vaters steht und sich für deren sofortige Rückkehr nach Kuba ausspricht.
Tausende Menschen demonstrieren zur Zeit für Mumia. Gestern hatten wir eine überdachte Kundgebung, die Bring Back Mumia, auf der 6000 Personen anwesend waren und Tausende an Geldern für seine Sache gesammelt werden konnten.
Er ist stark für den revolutionären und den Kampf für die Menschenrechte eingetreten. Sein Verteidigungsausschuß hat eine harte Schlacht ausgefochten, um das Leben des Menschen zu retten, dessen Hinrichtungstermin - buchstäblich innerhalb von Tagen - unmittelbar bevorsteht, Gary Graham.
Mumia hat an der Spitze des Kampfes für die Rettung von Grahams Leben gestanden, und seine Anhänger haben sich diesem Kampf angeschlossen.
Zwei Stunden lang sprachen wir über alles, über Literatur, vor allem über den weltweit geführten Kampf für seine Sache, in dessen Reihen auch prominente US-Amerikaner zu finden sind. Viele Menschen haben sich dem Kampf für seine Freilassung angeschlossen. Er ist ein unvergleichlicher Mensch, der sich in den letzten Jahren seiner Haft 23 Stunden am Tag in Einzelhaft befindet und das Heuchlerische am Rechtssystem der Vereinigten Staaten kritisiert hat.
Wir unterhielten uns, was wir tun werden, wenn wir seine Haftentlassung erreichen. Er sagte, er würde dann gern zwei Stunden zu Fuß gehen, zu Abend essen und Kuba besuchen. So meine ich also, Sie sollten sich darauf einstellen, Mumia, ist er ein freier Mann, aufzunehmen und mit ihm die Freiheit zu teilen, die das kubanische Volk für einen so hohen Preis erkämpft hat.
Miguel A. Masjuán: Vielen Dank für Ihre Mitarbeit. Sie wissen, daß im Augenblick in Kuba ein spezielles Programm über ihn läuft und wir hoffen, daß ihm baldmöglichst seine Freiheit gegeben wird.
Vielen Dank, Jeff.
Jeff Mackler: Danke.
Miguel A. Masjuán: Wir kehren nun, nachdem wir Jeff Mackler gehört haben, zu unserer Podiumsdebatte zurück.
Randy Alonso: Sie haben diese Erklärungen per Telefon vernommen.
Wir hatten davon gesprochen, wie der Faktor Rasse die US-Justiz einengt, und das nicht nur in Philadelphia. Wir haben hier einen Bericht der CNN in spanischer Sprache. Er stammt aus Houston und lautet:
"Mindestens neun Männer wurden in Texas auf Befolgen von sich auf die Rasse der Angeklagten stützende Empfehlungen eines Psychologen zum Tode verurteilt. So ein Bericht, der erneut die Aufmerksamkeit auf das Verhängen der Todesstrafe in diesem US-Bundesstaat auf sich zieht.
Die die Untersuchung begründende Todesstrafe wurde am Montag vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaten aufgehoben", das heißt am Montag letzter Woche. "Der Psychologe Walter Quijano hatte bezeugt, der wegen Mordes verurteilte argentinische Lohnarbeiter Víctor Hugo Saldaño sei aufgrund seiner hispanischen Herkunft eine künftige Gefahr für die Gesellschaft.
Seit 1982 sind in Texas 218 Personen hingerichtet worden, viel mehr als in jedem anderen Gliedstaat des amerikanischen Bundes."
Wir hatten gesagt, daß Mumia nicht der einzige schuldlos zum Tode Verurteilte ist. In Texas befindet sich in dieser Situation der Afroamerikaner Shaka Sankofa, den Mackler in dem eben erfolgten Telefongespräch erwähnte.
Sankofa ist ungerechterweise verurteilt und des Mordes an einem weißen Bürger bezichtigt worden. Sein Hinrichtungstermin wurde für den 22. Juni, binnen drei Tagen also, festgelegt.
Hier nun einige Erklärungen, die Shaka und ein Teil seiner Angehörigen unlängst abgegeben haben und die wir anhand einer kurzen Videoaufzeichnung vorführen wollen.
Anwalt: Es besteht kein Zweifel, daß Gary Graham wegen einer Tat sterben kann, die er gar nicht begangen hat.
Angehöriger: Sie können sich irren.
Angehöriger: Wenn du kein Geld hast, gibt es keine Gerechtigkeit.
Angehöriger: Irgendjemand muß doch etwas tun.
Angehöriger: Gäbe es Gerechtigkeit, dann lägen die Dinge anders.
James Dixon: Die Frage ist, ob Gary Graham im Ergebnis eines Tatbestandes und eines angemessenen Verfahrens verurteilt wurde. Diesem falschen Affidavit entsprechend bekam Gary Graham dem bestellten Ermittler zufolge kein gerechtes Verfahren.
Hier der Ermittler:: Ich erinnere mich, daß sein Richter von Anfang an sagte, Gary Graham sei schuldig; und das hat meine Ermittlungen beeinträchtigt. Zwar kann das ungerecht sein, doch so ist es dazu gekommen.
Doug O Brien: Also hören Sie einmal. Dieses Team rechtlichen Typus hat auf eigene Faust gehandelt. Das ganze Rechtssystem hängt von den Richtern und ihrer Arbeit ab, die darin besteht, in allen Fällen zu ermitteln und ihre Mandanten bestmöglich zu vertreten.
Chester Thorton: Es ist ein realer Beweis der Erklärung, die er im Affidavit abgegeben hat.
Gary Graham: Und das bekümmert mich nicht so sehr. Damals bekümmerte es mich nicht so sehr, denn da waren noch andere Diebstähle und wie man sagte, wurde hauptsächlich angenommen, ich sei der Schuldige an dem Diebstahl und daher auch der Schuldige an dem Mord.
Doug O Brien: Das Recht auf Gegenüberstellung und Verhör ist einer der wichtigsten Rechtsbegriffe in unserem Land. Davon wurde natürlich in diesem Verfahren Gebrauch gemacht, und davon ausgehend könnte ein jeder für Taten zum Tode verurteilt werden, die er nicht begangen hat.
Dennis Graham: In seinem Namen haben weder seine Anwälte noch der Hauptzeuge gehandelt. Ihnen zufolge gab es keine andere Option, als ihn für schuldig zu erklären.
Randy Alonso: Das waren Erklärungen von Shaka Sankofa und anderen dem Fall nahestehenden Personen.
Ich muß unseren Fernsehzuschauern erläutern, daß Shaka auch auf den Namen Gary Graham hört; daher werden Sie bei den verschiedenen Erwähnungen sowohl den einen als auch den anderen Namen hören.
Bei uns ist Gloria Rubac, die starke Aktivistin der Solidaritätsbewegung für Shaka in Texas war und die auch um das gesamte Thema der Strafvollzugsanstalten und der Todesstrafe in diesem Staat tätig gewesen ist, in dem, wie wir erwähnten, im Vergleich zu den anderen Gliedstaaten in den letzten Jahren die meisten Personen hingerichtet worden sind.
Gloria, wir möchten dich bitten, uns kurz von Shaka zu berichten. Wie geht es ihm? In welchem Zustand befindet er sich? Wir hatten ja gesagt, daß er in drei Tagen hingerichtet werden soll. Was hat man für ihn unternommen? Wie läuft die Solidaritätsbewegung, und welche anderen Aspekte kannst du uns in bezug auf Texas nennen?
Gloria Rubac: Um über den Fall Shaka zu sprechen, muß ich vor allem sagen, daß mich die Ausführungen Leonards über Mumia recht verblüfft haben, denn es gibt hier viele Ähnlichkeiten.
Shaka wurde verhaftet, als er 17 Jahre alt war. Nach vielen internationalen Gesetzen ist das bei Jugendlichen nicht statthaft. Jugendliche dürfen nicht zum Tode verurteilt werden; doch in den Vereinigten Staaten geschieht es eben.
Es gab sieben Zeugen für den Mord an dem Opfer, das angeblich von Shaka getötet worden sein soll, doch keiner der Zeugen wurde zur Beweisführung vorgeladen. Die Verteidigung Shakas oblag einem unfähigen Pflichtverteidiger, der zu jenem Zeitpunkt bereits mehr als ein Dutzend Personen in den texanischen Todestrakt geschickt hatte. In der Videoaufzeichnung haben wir vernommen: "Sie ermitteln nicht in dem Fall, denn dieser Mann ist ohnehin schuldig."
Im Fall Shaka gab es keine Beweise. Nur eine Frau trat auf und sagte, er sei der Mörder gewesen. Es gab kein Blut, keine Fingeabdrücke, kein Geständnis, kein Haar, nichts das darauf hingewiesen hätte, daß er den Mord begangen hat. Nur eben jene Frau, die irrtümlich äußerte, er sei es gewesen, der das Verbrechen begangen habe. Von den sieben Augenzeugen war sie diejenige, die sich am weitesten vom Tatort entfernt befand und erklärt, sie habe ihn nur drei oder vier Sekunden lang gesehen. Andere Personen haben wohl das Verbrechen gesehen, haben gesehen, wer es beging. Es gab einige, die 15, sogar bis zu 30 Minuten im Markt, dem Tatort, waren.
Shaka ist aus Houston, Texas. Houston hat schon so viele Personen hingerichtet, daß es im Hinblick auf die Anzahl von Hinrichtungen, wäre es einer der Einzelstaaten, nach Texas und Virginia an dritter Stelle stünde.
Der Staatsanwalt von Texas - und hier wurde bereits die Politik erwähnt - ist sehr stolz auf sein Konto von Hinrichtungen, und die Rasse und die Klasse nehmen dabei einen wesentlichen Platz ein. Normalerweise ist es nicht der Staatsanwalt des Distrikts, der auf Todesstrafe klagt und aburteilt, wenn die Betroffenen ihre eigenen Anwälte haben. Doch Shaka hat, wie 90 Prozent der in den Vereinigten Staaten im Todestrakt befindlichen Häftlinge, einen Pflichtanwalt. Er stammt aus armen Verhältnissen, für mich etwas sehr Trauriges und Bedauerliches, typisch für die Insassen im Todestrakt. Seine Mutter hatte psychische Probleme, sein Vater war Alkoholiker; und mit nur 17 Jahren hatte er zwei Kinder und den größten Teil seines Lebens irgendwie auf eigene Faust gelebt. Doch ich muß sagen, daß nach 19 Jahren im Todestrakt aus Shaka ein anderer Mensch geworden ist. Er ist zu einem Menschen mit politischem Bewußtsein, zu einem Revolutionär geworden. Das ist der Grund, weshalb ihn der Staat Texas hinrichten will. Doch es gibt noch andere Gründe, denn es ist ihm - ebenso wie Mumia - gelungen, diese Bewegung der Unterstützung in aller Welt zu entfachen.
Der 19. Juni ist der Jahrestag der Hinrichtung der Rosenbergs; doch
ebenfalls an einem 19. Juni war es, an dem in Texas die Sklaven ihre Freiheit erhielten,
obwohl diese erst zwei Jahre nach Ende des Bürgerkrieges Realität wurde. Seitdem wird
dieses Tages gedacht. So hat es also an diesem Wochenende anläßlich des 19. Juni viele
Feierlichkeiten in Texas gegeben.
Doch auch zu Protestveranstaltungen zu der drohenden Hinrichtung von Gary Graham oder Shaka Sankofa, die in drei Tagen stattfinden soll, kam es.
Die texanischen Republikaner tagten in Houston, und Tag für Tag wurden Protestveranstaltungen vor dem Tagungsgebäude durchgeführt, und selbstverständlich wird unsere Gruppe beim Umzug am 19. Juli dabeisein. Auch haben wir 5 000 Poster mit einem lächelnden Gary Graham als Jugendlicher im Gefängnis noch vor seiner Verlegung in den Todestrakt im Zentrum von Houston verteilt.
Die Bewegung für Shakas Rettung wird täglich stärker, ebenso wie die Bewegung gegen die Todesstrafe.
Zu diesem Thema berichtete CNN, auch die Zeitschrift Newsweek. Die Medien der USA debattieren die Todestrafe und konzentrieren sich dabei auf Texas, denn Texas ist weltweit das Zentrum der Hinrichtungen.
George W. Bush ließ in seiner fünfjährigen Amtszeit als Gouverneur 133 Personen hinrichten. Das ist ein Rekord, dem in einem Zeitraum von hundert Jahren kein anderer gleichkommt. Wir haben also ein großes Problem in Texas, wo bereits 230 Personen hingerichtet wurden; doch die Menschen blicken glücklicherweise nicht nur auf die Unschuldigen im Todestrakt, Häftlinge wie Shaka, sondern auch auf jene, die schuldig gesprochen werden, weil ihr Verfahren nicht gerecht verlief, weil sie zur Bezahlung eines Verteidigers kein Geld hatten; sie hatten kein Geld. Und jetzt erfahren wir bei CNN, daß Latino oder Afroamerikaner zu sein ebenfalls ein Grund für das Verhängen der Todesstrafe ist. Denn jener Sachverständige sagte, einer der in Texas in bezug auf die Todesstrafe betrachteten Aspekte bezieht sich darauf, ob die betreffenden Personen eine künftige Gefahr darstellen können, eben weil sie Latinos oder Afroamerikaner sind. Im Hinblick auf die Todesstrafe durchdringt dieser Rassismus das gesamte System.
Víctor Saldaño aus Argentinien ist nicht der einzige, und glücklicherweise wurde das Urteil aufgehoben, jene falsche Zeugenaussage unbeachtet lassend.
In den USA befindet sich jeder zehnte Häftling in einem texanischen Gefängnis, und das nicht nur in dem 460 Insassen aufweisenden Todestrakt. Insgesamt befinden sich in den hiesigen Gefängnissen 150 000 Personen, die meisten davon sind Farbige.
Im Fall Gary gilt nicht nur das Gesetz von Texas, sondern auch das 1996 von Clinton verabschiedete, demzufolge im Fall Shaka keine neuen Beweismittel vorgebracht werden dürfen.
Wir haben weiter nach Beweisen im Fall Shaka gesucht, und 1993 haben seine Anwälte - nun, er bekam schließlich doch gute Anwälte, einige der besten - Hunderte von Stunden recherchiert. Aus diesen Ermittlungen mit den sechs Augenzeugen kamen viele Beweise für seine Schuldlosigkeit ans Tageslicht. Im Jahr 1993 kam er dann vor das Bundesgericht, und es gab ausreichende Beweise, um ihn freizusprechen. Doch es wurde gesagt: Also, man muß erst über das Gericht des Bundesstaates gehen, um zum Bundesgricht zu gelangen. Und ersteres lehnte ab.
Im Jahr 1996 kam der Fall erneut vor das Bundesgericht; doch Clinton hatte bereits das neue Gesetz erlassen, das Gesetz zu Antiterrorismus und effektiver Todesstrafe. Die Gerichte sagten, sie können den Fall zu jenem Zeitpunkt nicht bearbeiten. So konnte also kein Gericht die neuen Beweise, auch nicht die sechs neuen Zeugen anhören, deren Beschreibung des Mörders ähnlich ist; eine Beschreibung, die nicht auf Shaka Sankofa zutrifft. Das ist wirklich alles sehr bedauerlich.
Das einzig noch Mögliche war das Einlegen einer Berufung Habeascorpus beim Obersten Bundesgericht der Vereinigten Staaten. Das geschieht nicht oft. Das letzte positive Urteil nach Habeascorpus geht auf die zwanziger Jahre zurück. Das ist seine letzte Möglichkeit. Auf alle Fälle liegt mit dieser Berufung Habeas Corpus das Leben Sankofas in der Hand von George W. Bush, bekannt als Gouverneur des Todes, und des Ausschusses für Begnadigung und bedingte Freilassung. Oder wenn wir es umgekehrt sagen wollen: Also, wir werden die Beweismittel und neuen Beweise prüfen und zu dem Schluß kommen, daß du nicht schuldig bist.
Seine Anwälte stellen ein bedingtes Gnadengesuch. Hoffen wir, daß diesem noch vor dem Donnerstag stattgegeben wird.
Die Bewegung ist sehr stark, Shaka ist ebenfalls sehr stark. Wie Mumia weiß er, daß sein Leben in der Hand dieser Personen liegt, und heute wird es Demonstrationen geben. Es gibt eine internationale Bewegung. Busch wird sich nach Palo Alto in Kalifornien begehen, wo es zu Kundgebungen kommen wird. Wir sind sehr optimistisch. Wir glauben, daß Shaka freikommen wird. Das könnte der Anfang vom Ende der Todesstrafe sein.
Randy Alonso: Es ist das ein weiterer Beweis der Ungerechtigkeiten
des US-amerikanischen Systems; ein recht naheliegender Beweis, denn wir sprechen von einem
Menschen, der in nur wenigen Stunden hingerichtet werden kann; und wie Sie sagten, widmete
die Zeitschrift Newsweek an diesem 12. Juni dem Thema der Todesstrafe in den
Vereinigten Staaten einen bedeutenden Raum und schreibt: "Überdenken wir die
Todesstrafe!" Dabei stützte man sich auf Veröffentlichungen, auf Studien zu diesem
Thema in den Vereinigten Staaten. Mir liegt hier auch
eine Meldung von CNN vor, in der es heißt, eine Studie habe ergeben, daß das System der
Todesstrafe in den Vereinigten Staaten voller Irrtümer und Fehler ist in Anbetracht der
Anzahl eingelegter Berufungen gegen diese Art von Sanktion.
"Die Studie der New Yorker Columbia-University ergibt, daß von den als Beispiele benutzten Fällen von 1973 bis 1995 zwei Drittel der eingelegten Berufungen erfolgreich verliefen, das heißt, bei zwei Dritteln der zum Tode Verurteilten wurden die Urteile rückgängig gemacht, da es im Verlaufe des Verfahrens zu Irrtümern gekommen war.
Der Hauptautor der Studie, James Liemann, sagte, der größte Teil der Fälle sei derartig schlecht strukturiert gewesen, daß sie wieder aufgenommen werden mußten. Auf dieser Grundlage weist die Studie darauf hin, daß das System der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten unhaltbar ist, hauptsächlich aufgrund der Justizirrtümer, die bei mehreren dieser Fälle zum Verhängen dieser Strafe geführt haben."
Wir haben jetzt eine weitere Persönlichkeit der Vereinigten Staaten in der Leitung, der auch bei unserer heutigen Podiumsdebatte dabeisein wollte.
Miguel Angel Masjuán hat den bekannten US-Schauspieler Danny Glover in der Leitung, der aktiv teilgenommen hat an der ganzen Bewegung zur Verteidigung von Mumia und auch von Shaka und nun per Telefon unserer heutigen Debatte seine Erklärungen vortragen möchte.
Miguel A. Masjuán: Wir haben Danny Glover am Apparat, ein außerordentlich bekannter Schauspieler, und werden mit ihm in unserer heutigen Podiumsdebatte über Shaka Sankofa, die letzten Ereignisse und über Mumia Abu-Jamal sprechen.
Mister Glover, wir freuen uns, daß die Verbindung zustande gekommen ist und hätten gern Ihre Eindrücke zu den letzten Ereignissen um Shaka Sankofa und Abu-Jamal gehört.
Danny Glover: Nun, es ist mir ein Vergnügen, Teilnehmer dieser Art Panel zu sein und mit dem kubanischen Volk über die hiesige Situation im Hinblick auf Shaka Sankofa und Jamal sprechen zu können; ein Fall - der Fall Sankofa -, in dem ich sieben Jahre lang tätig war.
Vor sieben Jahren begann ich mich mit dem Fall zu befassen. Seit 19 Jahren steht er nun auf der Todesliste, und die Stunde seiner Hinrichtung ist nicht mehr fern. Sie ist für kommenden Donnerstag, den 22. Juni vorgesehen. Im Augenblick setzen wir alles daran, das Verfahren aufzuhalten.
Von Anfang an gab es nur einen einzigen Zeugen, der angeblich Shaka Sankofa identifizierte. Worum wir ersuchen, ist das Vorbringen anderer Beweismittel, anderer Proben, die den Nachweis für seine Schuldlosigkeit erbringen können; und das ist uns nicht zugebilligt worden. Wir erhielten keine Gelegenheit, es zu tun. Hoffen wir, daß das Rechtssystem, daß einschließlich der Einfluß von Gouverneur Bush uns zu dieser Gelegenheit verhilft.
Er hat sich für unschuldig erklärt. 19 Jahre lang hat er diesen Prozeß durchgestanden und der Anwalt, der ihm von Anfang an und während der Verhandlungen zugeteilt wurde, war dafür ungeeignet.
Das heißt, wir erleben einen wirklich schweren Augenblick. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.
Miguel A. Masjuán: Wir vertrauen darauf, daß Sie es erreichen werden, daß Sie Erfolg haben werden.
Danny Glover: Ja. Wir vertrauen darauf, daß wir unseren Kampf nicht aufgeben werden. Wir vertrauen darauf, daß Sankofa unschuldig ist.
Das System hier ist in bezug auf seine Hinrichtungen sehr effizient, wie eine Todesmaschine. Wir haben es schon früher miterleben können; doch wir sind sicher, daß wir alles nur Mögliche getan haben. Wir haben viele Menschen organisiert und mobilisiert und wir meinen, daß wir mit diesem Kampf am Bewußtsein der US-Bürger rütteln können. Wir denken, den Sieg für uns verbuchen zu können.
Miguel A. Masjuán: Vielen Dank, Mister Glover. Wir freuen uns, daß wir mit Ihnen sprechen konnten und bedanken uns für Ihre Mitarbeit.
Vielen Dank.
Aus New York hörten wir eben den Schauspieler Danny Glover in seinen Betrachtungen zum Fall Shaka Sankofa, der laut US-amerikanischem Gesetz kurz vor seiner Hinrichtung steht; und wir schalten zurück zu unserer Podiumsdebatte.
Randy Alonso: Danke Masjuán für diese Kontaktvermittlung zu dem berühmten Schauspieler Danny Glover und auch dafür, daß wir seine Argumente und Kriterien zum Fall Shaka Sankofa hören durften.
Im Rahmen der Vorbereitung dieser Podiumsdebatte hatte ich Gelegenheit, Criminal Injustice zu lesen. Dieses Buch enthält sehr viele Angaben über die Lage in den US-amerikanischen Gefängnissen und über die im Strafsystem jenes Landes vorhandenen Ungerechtigkeiten. Unter anderem ist dort zu lesen, daß die USA eine der höchsten Einkerkerungsquoten der Welt zu verzeichnen haben: etwa 519 Strafgefangene pro 100 000 Einwohner. Dabei machen - Studien aus dem Jahr 1996 zufolge - die Afroamerikaner heute etwa 6 % der Bevölkerung der Vereinigten Staaten aus, jedoch fallen auf sie 50 % der Strafgefangenen jenes Landes. Das heißt also, liegt die Einkerkerungsquote des Landes bei 519/100 000, so liegt sie für die Afroamerikaner bei 3822/100 000.
Bei uns ist heute Professor Lennox zu Gast, ein in seinem Land sehr renommierter Anwalt, der auch verschiedentlich politische Gefangene verteidigt hat. Er hatte bedeutende Fälle im Rahmen dieser Bewegung zur Verteidigung der Afroamerikaner.
Professor Lennox, ich möchte Sie nun nach dem Stellenwert fragen, den Ihres Erachtens der Rassismus im US-amerikanischen Strafsystem besitzt, nach den Akten des Amtsmißbrauchs, und Sie um einige Information über die heutige Lage der politischen Häftlinge in den Vereinigten Staaten bitten.
Lennox Hinds: An Mumia Abu-Jamal haben wir einen Mann vor uns, der ein Beispiel darstellt für die Anwendung des Gesetzes in ihrer rassistischen und politischen Form.
In den Vereinigten Staaten wird das Gesetz als ein Kontrollmechanismus angewandt, und in vielen Situationen ist ein Gerechtigkeitskriterium vorhanden, das bei vielen Menschen Verwirrung stiftet. Die Regierung präsentiert dieses nun der Welt, so als seien sie die Verfechter von Recht und Gesetz und die Verfechter der Menschenrechte. Doch seit Beginn der Vereinigten Staaten von Amerika, seit dem Einsetzen der Nationwerdung zeigt der Rassismus bereits in der Verfassung und ihrem Vorwort, wo die sogenannten Vorkämpfer hinsichtlich des der Eingeborenenbevölkerung geraubten Landes eine heuchlerische Haltung einnehmen. Alle waren Anhänger der Sklaverei: George Washington, Benjamin Franklin, Jefferson. Alle jene Vorkämpfer waren mehr als heuchlerisch und benutzten das Gesetz gewissermaßen als Schild, um ihren Rassismus in die Praxis umzusetzen.
Betrachten wir also die heutige Funktionsweise des Gesetzes, müssen wir zurückblickend seine Doppelzüngigkeit erkennen. Mumia Abu-Jamal ist nur eines dieser Beispiele wie auch der Fall Shaka. Sie sind Opfer des Praktizierens des Rassismus; es ist die Form der Gesetzesanwendung hinsichtlich des Rassismus.
Im Jahr 1976 brachten wir bei den Vereinten Nationen einen Antrag auf Verhütung der Diskriminierung und Schutz der Minderheiten ein. Ich habe eine Kopie jener Forderung bei mir. In dieser Forderung und ihren Anlagen wird der Beweis dafür angetreten, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die Rechte der Minderheiten des Landes verletzt, und zwar nicht nur der Afroamerikaner, sondern auch der Latinos, der indigenen Bevölkerung und der Amerikaner asiatischer Herkunft.
Zur Funktionsweise des Gesetzes besteht kein Zweifel, wenn man betrachtet, wer im Gefängnis sitzt. Beispielsweise kann man sehen, daß die große Mehrheit jener Personen zu den Armen gehören. Betrachten wir den geographischen Aspekt der Vereinigten Staaten insgesamt, so haben wir im Nordosten Neger und Puertoricaner; im Südwesten, beispielsweise in Arizona, New Mexico sind die meisten Chicanos. In einem Staat wie Minnesota zum Beispiel besteht ein hoher Bevölkerungsanteil aus Eingeborenen, und in den Städten jenes Bundesstaates sind die meisten Strafgefangenen dieser Rasse zu finden. So darf also nicht argumentiert werden, die Angehörigen all dieser nationalen Minderheiten seien Kriminelle. Was vorzufinden ist, ist die auf der Hautfarbe basierende Kriminalität.
Betrachten wir also den Fall Mumia nicht nur in bezug auf das Rassenproblem, sondern auch in bezug auf den politischen Aspekt. Dieser Fall muß so und nicht anders gesehen werden, denn Mumia wurde ein Opfer des FBI-Sicherheitsprogramms, und Sie haben von anderen Podiumsteilnehmern die Ausführungen zu den die Black Panthers Party betreffenden Aspekten gehört.
Rosemari Mealy sprach von der Verfolgung der Black Panthers Party.
Im Jahr 1967 gab es ein Programm von J. Edgar Hoover. Er vertrat die Meinung, jene kämpften gegen ihre Eigenschaft als Unterdrückte in den Vereinigten Staaten und müssen identifiziert und vernichtet werden. Doch sie konzentrierten sich nicht nur auf die Black Panthers Party, sondern auch auf Menschen wie Harry Belafonte, Matin Luther King, Earth Kid; auf Sammy Davis jr. beispielsweise. Es konnte sich niemand vorstellen, daß Sammy Davis jr. gefährlich sein sollte, und trotzdem galten sie als Personen, die beobachtet werden mußten, und sollten sie zur Black Panthers Party gehören, wurden sie wegen Mordes registriert.
Sie haben die Auswirkung dessen an den politischen Gefangenen der Vereinigten Staaten sehen können. Menschen wie zum Beispielt Peltier, Mitglied der Indigenen Bewegung der Vereinigten Staaten und seit mehr als 25 Jahren im Gefängnis; Sundiata Acoli war Mitglied der Black Panthers Party und ist seit mehr als 27 Jahren in Haft; Mondo We Langa und Ed Poindexter, ebenfalls seit mehr als 30 Jahren im Gefängnis; Seku Odinga, seit mehr als 20 Jahren in Haft; Mutulu Shakur ... die Liste ist unendlich.
Die Vereinigten Staaten leugnen, daß es sich hierbei um politische Gefangene handelt, doch die Beweise sprechen für sich. Sie sind politische Gefangene, und es gibt sie.
Nehmen wir nur den Fall Mumia. Er wurde Opfer eines Polizeiverbrechens. In den Vereinigten Staaten ist die Polizei die einzige Einrichtung der Regierung mit Macht und Befugnis zur Gewaltanwendung, um die Bürger zum Gehorsam zu zwingen, einschließlich tötender Gewalt, eingesetzt gegen Mitglieder der Minderheiten, die zu Polizeiopfern werden. Das alles geschieht nicht nur in New York, sondern auch in anderen Teilen des Landes und ist Ausdruck dieser Erscheinungen.
Das geschieht in den Vereinigten Staaten überall und ist kein neues Phänomen. Gehen wir zurück auf das Jahr 1968, dann lesen wir in den Schlußfolgerungen des Berichtes der Kerner-Kommission, daß die Polizei für die Minderheiten ein Instrument der Repression darstellt. In den Gemeinden der Weißen sieht man die Polizisten als Personen, die den Kindern beim Überqueren der Straße behilflich sind, ihnen hin und wieder Süßigkeiten schenken; und in den Gemeinden der Minderheiten sind sie diejenigen, die die Kugeln schießen, mit dem Knüppel auf die Köpfe einschlagen und den Fuß in den Nacken dieser Minderheiten setzen. Darin liegt der Unterschied, so unterschiedlich lebt man in den Vereinigten Staaten.
Gestatten Sie mir zum Schluß einige Äußerungen zur Todesstrafe.
Die Todesstrafe, über die ich sprechen möchte, verletzt das Internationale Abkommen über die Zivilen und Politischen Rechte; sie verletzt die Deklaration über die Menschenrechte, die Internationale Konvention gegen Rassendiskriminierung. All diese Dokumente, die die Vereinigten Staaten unterzeichnet und ratifiziert haben, werden verletzt.
Zum Fall Shaka Sankofa: Als Siebzehnjähriger wurde er verhaftet wegen eines Verbrechens, von dem es heißt, es sei zu jenem Zeitpunkt begangen worden. Die Todesstrafe kommt zum Einsatz, um unsere Kinder, unsere Jugendlichen zu töten, denn, betrachtet man die Geschichte der Vereinigten Staaten, so hat man sie in 38 Gliedstaaten bereits wieder eingeführt. In 13 dieser Staaten ist kein Mindestalter für die Anwendung dieses Gesetzes wegen begangenen Verbrechens festgelegt. In zehn Staaten beträgt das Mindestalter 18 Jahre; in 14 liegt es zwischen 13 und 17 Jahren. Schaut man sich nun an, wer zum Tode verurteilt wurde, so sieht man als jüngste zwei zehnjährige Kinder, einen Negerjungen, hingerichtet 1855, und ein Kind aus der Eingeborenenbevölkerung, das 1857 hingerichtet wurde.
Zu den Statistiken hat Leonard bereits gesagt, daß von den 3600 Todeskandidaten 18 hingerichtet werden. In der Geschichte der Vereinigten Staaten hat es niemals die Hinrichtung eines Weißen wegen Vergewaltigung einer schwarzen Frau gegeben. Doch als dann auf Vergewaltigung die Todesstrafe stand, waren von den 455 aus diesem Anlaß hingerichteten Personen 405 Schwarze. So muß man sich also das Gesetz vor Augen führen, das Heuchlerische in seiner Anwendung und die Illusion von Gerechtigkeit nach dem Gesetz, wie es sich bei der Prüfung dieser Fälle in den Vereinigten Staaten zeigte.
Randy Alonso: Vielen Dank. Das war meines Erachtens eine sehr umfassende und sehr konkrete Erläuterung einer Gruppe von Fällen und von Faktoren, die auf den heute vorhandenen Grad der Diskriminierung und Ungerechtigkeit in der US-amerikanischen Gesellschaft hinweisen sowie darauf, wie die Neger, die Latinos, die Chicanos, die nordamerikanischen Indianer aufgrund ihrer Hautfarbe und auch des Grades ihrer Armut oder ihres Reichtums in jener Gesellschaft diskriminiert werden.
Doch wir sprachen vorhin von Texas; und neben Texas, New York und auch Florida ist Kalifornien einer der Gliedstaaten mit dem höchsten Grad an Kriminalität und gehört auch zu jenen, in denen die Gerechtigkeit am stärksten beschnitten wird.
Gloria kommt von dort, aus Kalifornien, und von ihr hätte ich gern etwas über den Stand der Gerechtigkeit in jenem US-Staat gehört.
Gloria La Riva: Es ist äußerst schwer zu sagen, welcher der erwähnten - Kalifornien, Texas, Virginia, New York oder Pennsylvanien - der repressivste Staat der USA ist. Nun hat Kalifornien mit 32 Millionen die höchste Einwohnerzahl und mit 188 000 auch die höchste Anzahl von Strafgefangenen.
Lennox und andere Podiumsteilnehmer äußerten sich zum Rassenproblem als einem der Hauptaspekte. Obwohl auch 60 % der Vergewaltigungen, Überfälle und Morde in Kalifornien von Personen weißer Hautfarbe begangen werden, beträgt der Einkerkerungsindex der Negerbevölkerung das Siebzehnfache dessen der weißen Bevölkerung. Daher bilden in Kalifornien Afroamerikaner und Latinos einen hohen Anteil der Strafgefangenen.
Kalifornien ist seit jeher ein Gliedstaat, in dem viele Versuche und Erstanwendungen stattfanden. Beispielsweise das Drei-Strafen-Gesetz, wonach ein drittes Strafurteil - sei es auf ein Delikt ohne Gewaltanwendung oder auf ein schweres Verbrechen - einen Menschen auf Lebenszeit im Gefängnis halten kann ohne jegliche Möglichkeit einer bedingten Haftentlassung. Dadurch erhöhte sich die Anzahl der Haftinsassen. Es existieren auch Hochsicherheitsgefängnisse, Kontrolleinheiten genannt. Es gibt sie überall im Land, in Kalifornien zum Beispiel auch. Es heißt Pelican Bay. Dieses Gefängnis steht im nördlichen Teil, und 55 % seiner Insassen sind Chicanos oder andere Latinos. Von ihnen kommen 55 % aus Los Angeles, denn sie werden als Bandenchefs eingestuft.
Ein Blick auf das kalifornische Los Angeles ist interessant. Hier hat nämlich die Polizei eine Riesenaktion gegen die Latinos und die Neger gestartet, denn in den Polizeiregistern standen 112 000 Latinos als Bandenchefs. Nimmt man Sie fest, so können Sie und andere Freunde als Bandenchef bezeichnet werden. Das ist der Grund bei vielen im Gefängnis Pelican Bay, wo sie sich in Einzelhaft befinden.
Vor kurzem kam es im Polizeiapparat von Los Angeles zu einem großen Skandal. Aus dem Geständnis mehrerer Polizisten wurde bekannt, daß mehrere tausend Häftlinge - vor allem Latinos und Afroamerikaner - zu Unrecht verurteilt worden sind, vor allem durch Druckausübung auf die Zeugen, denn die Polizei hatte Drogen gegen Jugendliche eingesetzt, was bewiesen wurde.
Ausgangspunkt für den Skandal war der Fall Javier Francisco Ovando, ein junger Latino von etwa zwanzig Jahren. Latino war auch der Polizist, der auf ihn schoß; doch bei diesem wurden acht Libras Kokain gefunden, die er einem Angeklagten abgenommen hatte und verkaufte. Sie beschlossen, den Latino zu beobachten und eines Abends, als sie ihn festnahmen - wir nehmen hier Bezug auf das Geständnis eines Polizisten -, schossen sie ihm in den Kopf, er fiel, sie hoben ihn auf und schossen erneut, diesmal in die Brust. Sobald er sich im Krankenhaus etwas erholt hatte, brachten sie ihn auf einer Krankenbahre zur Strafkammer, und er wurde des versuchten Mordes angeklagt. Obwohl dieser Mann nichts getan hatte, war er schlicht und einfach jemand, den man auf der Straße als Bandenchef identifiziert hatte, und so wurde er wegen versuchten Mordes angeklagt. Mit etwa zwanzig Jahren wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Da man bei dem Polizisten das Kokain gefunden hatte, mußte er dieses und viele andere Verbrechen, die er begangen hatte, gestehen. Jetzt läuft nun gegen viele Polizisten ein Gerichtsverfahren.
Dann wurde der junge Mann vor zirka drei Monaten von den Zeitungen interviewt und gefragt: "Als man Sie verurteilte und die Polizei sie unrichtigerweise des versuchten Mordes bezichtigte, warum haben Sie nichts gesagt?" Er antwortete: "Meine Anwälte sagten mir, es würde mir niemand glauben. Ich solle mir keine Mühe machen, meine Geschichte zu erzählen." So gibt es viele Jugendliche, die von der Polizei festgenommen wurden. Die Polizei hat viele Morde begangen. Wir haben in Los Angeles eine äußerst korrupte Polizei, ein Gefängnis in Nordkalifornien voller Afroamerikaner und Latinos. Wieviele Leben haben sie wohl ruiniert!
Doch kurz noch etwas. Wir hier Anwesenden leben im reichsten Land der Welt, den Vereinigten Staaten. Der reichste Gliedstaat der USA ist Kalifornien. Warum gibt es dann zwei Millionen Gefangene in den Vereinigten Staaten? Warum gibt es so viel Armut? Für die Armut in den Vereinigten Staaten gibt es keinerlei Entschuldigung.
Die Arbeitslosigkeit ist etwas zurückgegangen und beträgt knapp 5 %. Doch der Durchschnitspreis einer Wohnung in San Francisco, beträgt 460 000 Dollar. Ein einfacher Arbeiter kann sich keine Wohnung kaufen. Der Lohn reicht kaum zum Leben. Auch wenn man Arbeit hat, ist es doch fast unmöglich, in Kalifornien zu leben. Daher werden immer mehr Wirtschaftsstraftaten von Personen mit geringen Einkünften verübt, und sie werden als Straftäter betrachtet, weil sie arm sind. Deshalb sind die Gefängnisse voll von armen Menschen. Manche Frauen, die der Prostitution nachgehen, wandern für Jahre ins Gefängnis, werden drogenabhängig. Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist schuld an vielen sozialökonomischen Problemen.
Nehmen wir beispielsweise Bill Gates mit seinem persönlichen Vermögen von hundert Milliarden Dollar. In seinem ganzen Leben könnte er nicht einmal eine Milliarde ausgeben und besitzt mehr als genug Geld, um für alle ökonomischen Probleme der Armen in unserem Land aufzukommen. Zu seinem Reichtum ist er gelangt, weil er diese Armen arm gemacht hat. Er beschäftigt Strafgefangene, die für nur ein paar Cent die Stunde seine Produkte herstellen und aus Bill Gates einen steinreichen Mann machen. Darin liegt die Ungerechtigkeit.
Randy Alonso: Anfang dieses Jahrzehnts, auch im vergangenen Jahrzehnt war gerade Kalifornien Schauplatz vieler polizeilicher Gewalttaten. Dabei denken wir stets an den Fall Rodney King.
Aufsehen erregte auch der unlängst in New York begangene Mord an Amadou Diallo. Rosemari war im Rahmen dieses New Yorker Ereignisses aktiv, kennt Einzelheiten darüber und kann uns auch etwas zur Brutalität der Polizei als ein weiterer Bestandteil des Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft sagen, wie sie sich in jenem US-amerikanischen Gliedstaat äußert.
Rosemari Mealy: Danke, Randy. Die verstärkte soziale Polarisierung ist eine globale Tendenz. Betrachtet man die Globalisierung als globale Tendenz, stellt man in New York einen der ausgeprägtesten Indizes in diesem Sinne fest.
Diese hier zur Sprache gekommene soziale Realität hat viel zu tun mit der polizeilichen Kontrolle über die Arbeiterklasse in allen Städten, Gemeinden, Stadtvierteln und überall, wo wir leben.
Zu Beginn meiner Kommentare will ich den wahren Ereignissen im Fall Amadou Diallo auf den Grund gehen.
Amadou Diallo war ein aus Guinea, Afrika, eingewanderter junger Mann von 24 Jahren und ist Vertreter jener in den USA erkennbaren Tendenz, jenes Phänomens des Wandels, der sich im Rahmen des Einwanderungsprozesses abspielt.
In den letzten zwei Jahrzehnten sind mehr als eine Million Immigranten nach New York gekommen, und es hat sich folgende Situation ergeben: die Stadt ist ärmer und dunkler geworden. Die seit jeher Ansässigen haben sich dem angeschlossen, das - ich zitiere - "die Flucht der Weißen" genannt wird; ein Phänomen, in dessen Rahmen die Weißen massenweise die Stadt verlassen, da sie den Rassismus nicht ertragen können. Das ist als das Dunkelwerden Amerikas bekannt. Die Schulen der Stadt sind überfüllt. Über die Arbeitslosenquote und anderes wurde hier bereits gesprochen.
Amadou Diallo wurde mit dieser Situation konfrontiert, in der der New Yorker Polizeiapparat über 38 000 Polizisten verfügt, wovon nur 11,4 % Neger und etwa 13 % Latinos sind.
Der Rassismus der mehrheitlich weißen Polizisten ist als polizeiliche Brutalität bekannt.
Als Amadou am 4. Februar ermordet wurde - wir behaupten das, denn er wurde tatsächlich kaltblütig hingemetzelt -, hatte man ihn der "Vergewaltigung" verdächtigt. Die Polizei hielt ihn an, und in der ihm eigenen Art sich auszuweisen zog er seine Brieftasche. Sofort wurde sein Körper zur Zielscheibe von Schüssen, die in den Worten des Musikers Springsteen verewigt wurden, der über die Kultur als Mechanismus der Erwiderung versuchte kundzutun, was in der Stadt geschieht.
Das Ministerium für Justiz der Vereinigten Staaten hat bereits vor drei Jahren Ermittlungen zur polizeilichen Brutalität in der Stadt eingeleitet, die einen Wandel bewirken könnten. Denken wir beispielsweise an Verbrechen an alten Menschen wie Eleonor Bumpers. Auch gab es Situationen, in denen Latinos ermordet wurden. Die Polizei hat viele Morde begangen.
Im Fall Amadou Diallo entstand eine echte Bewegung, Gerechtigkeit für ihn fordernd.
Wieder einmal wurden die Gerichte zugunsten der Politik benutzt - worüber auch Lennox sprach - und das Verfahren nicht in New York durchgeführt, wo der Prozeß gegen den Polizisten lief, der Amadou ermordet hatte, sondern der Ort des Verfahrens wurde in den nördlichen Teil des Staates verlegt. So kam es dann also zu einem Prozeß, bei dem alle Beteiligten Weiße waren, ausgenommen einige wenige Neger, die dann auch jene vier Polizisten für schuldig befanden. Doch die Polizisten wurden von jeder Verantwortung befreit. So sind also die Mörder Diallos sowie andere, die viele Neger in New York umgebracht haben, auf freiem Fuß.
Die Situation in dieser Stadt und dem gesamten Land führte zu einem organisierten Auftreten der Jugend gegen die polizeiliche Brutalität, gegen das polizeiliche Verbrechen und vielleicht sogar gegen das Justizverbrechen. Man spürt erneut, was draußen geschieht, und die Gerichte werden im Kampf für die Gerechtigkeit auf einen zweitrangigen Platz verwiesen.
Randy Alonso: Genauso ist es, Rosemari. Ich glaube, der Fall Rodney King und der Fall Diallo sind lediglich die Spitze des Eisbergs der polizeilichen Brutalität, der Diskriminierung, die in der US-amerikanischen Gesellschaft auch von der Polizei praktiziert wird, und das nicht nur in New York, sondern auch in vielen anderen Staaten der amerikanischen Union und daß sich dieses auch bei den Gerichten und in den Strafanstalten widerspiegelt.
Mir liegt hier eine Information vor, wonach die Strafurteile für Afroamerikaner einen viel längeren Zeitraum umfassen als die für Personen weißer Hautfarbe.
"Im Strafvollzugssystem der Union enthalten die Urteile über Afroamerikaner einen etwa 20 % längeren Zeitraum des Strafvollzugs als die Urteile über die Weißen bei ähnlichen Straftaten, und mehr als 60 % der in den Vereinigten Staaten in Haft befindlichen Frauen sind Afroamerikanerinnen und Latinas."
In der Videoaufzeichnung, die unser Kollege Taladrid vergangenen Mittwoch in dem Programm Pasaje a lo desconocido (Begegnung mit dem Unbekannten) vorführte, aüßerte Mumia Abu-Jamal seine Eindrücke über die Gefängnisse in den Vereinigten Staaten. Hören wir uns nun dieses Fragment an:
Mumia Abu-Jamal: Dieser ganze Komplex ist wie ein großes erleuchtetes Inferno, dessen Konstruktion mehr als 200 Millionen Dollar gekostet hat.
Die Zellen ähneln in gewissem Sinne diesem Raum. Ist die Tür einmal geschlossen, ist kein Laut zu hören, das Schweigen ist absolut; zurück bleibt nur der Laut des Schweigens in uns selbst.
Es ist schwierig, mitunter unmöglich, mit einem anderen als dem Mann direkt nebenan zu sprechen, denn es gibt keine Fußblöcke, es gibt keine von außen dringenden Laute. Es gibt nur den Laut der Klimaanlage, den Laut des Schweigens oder den Laut, den man selbst erzeugt. Doch man hat nicht das Gefühl einer kompletten Isolierung, denn häufig ist sogar von hier aus der Laut der Präsenz anderer Personen zu vernehmen.
Randy Alonso: Nun, Monica, nachdem wir die Worte Mumias vernommen haben, würdest du uns etwas zur heutigen Situation in den US-Gefängnissen sagen? Was ist der sogenannte Strafanstalt-Industrie-Komplex? Was weißt du - du bist eine Frau - von der Lage der Frauen in den Gefängnissen der Vereinigten Staaten?
Monica Moorehead: Ich möchte meine Ausführungen mit der Feststellung beginnen, daß sich in den Vereinigten Staaten ein Rassenkrieg abspielt.
Wir haben einige Kommentare zu diesem gegen die Armen und Unterdrückten gerichteten Krieg gehört, der besonders in der Form des Strafanstalt-Industrie-Komplexes geführt wird. Das heißt, es kam zu einer Fusion von Bau und Industrie der Gefängnisse mit der Sklavenarbeit. Dadurch entstand das, was man heute als den Produktionsbereich mit dem stärksten Wachstum kennt. Wer sind vor allem die Opfer dieses Strafanstalt-Industrie-Komplexes, über den wir bei dieser Podiumsdebatte schon so viel gehört haben? In den Gefängnissen der Vereinigten Staaten sind in den örtlichen, den Staaten- und Bundesgefängnissen insgesamt zwei Millionen Personen inhaftiert. Bis Ende dieses Jahres rechnet man mit einer Erhöhung auf 2,07 Millionen. Das bedeutet, in den Gefängnissen der Vereinigten Staaten befinden sich 25 % der inhaftierten Personen der Welt. Allen anderen Ländern gegenüber ist dies der höchste Prozentsatz.
Abertausende Gefangene in den Vereinigten Staaten sind Analphabeten, Drogenabhängige oder geistig Behinderte.
Von den Frauen ist zu sagen, daß ihr Anteil am schnellsten wächst, hauptsächlich wegen Drogenproblemen, mit Drogen in Zusammenhang stehenden Delikten ohne Gewaltanwendung, neben der Eliminierung der Vorteile des sozialen Wohlstandes. Viele der Frauen in den Gefängnissen sind Mütter, Alleinerziehende, viele entbinden in der Anstalt; und wir sind der Meinung, das ist ein Verbrechen von Humanitätsbeleidigung.
In diesen Strafvollzugsanstalten gibt es auch Männer als Polizisten; Sie mißbrauchen diese Frauen, vergewaltigen sie und gehen dabei vollkommen straflos aus.
Vor kurzem brachte eine Gruppe Frauen der New Yorker Gefängnisse dieses Problem an die Öffentlichkeit, sehr mutig ihrerseits, denn sie werden danach zur Zielscheibe jener Gefängniswärter, und der Mißbrauch verschärft sich noch. Indem die Frauen das an die Öffentlichkeit brachten, zeigten sie großen Mut. Jetzt weiß die Öffentlichkeit der Vereinigten Staaten, daß so etwas geschieht, vor allem im Staat New York.
In den Gefängnissen kann man erleben, was als Kriminalisierung einer ganzen Generation Jugendlicher bezeichnet wird. Für die Strafanstalten, besonders die privaten als Hauptglied des Strafvollzugskomplexes, sind die Zielscheibe die Jugendlichen.
Laut Statistiken soll die Anzahl der von Jugendlichen verübten Straftaten um 9,3 % gesunken sein, doch ist die Anzahl der jugendlichen Häftlinge um 10 % gestiegen. Dieses Verhältnis zu den statistischen Angaben ist also recht seltsam.
Wer steht nun hinter diesem Wachstum dieses Strafanstalt-Industrie-Komplexes? Natürlich die Firmen der Wall Street und die Banken. Sie sind es, die den Bau dieser privaten Strafanstalten in den Vereinigten Staaten finanzieren.
Ende dieses Jahres werden die Ausgaben für den Bau von privaten Strafanstalten in diesem Land auf 41 Milliarden Dollar gestiegen sein, finanziert hauptsächlich von Shearson-Learson, American Express und anderen Mächtigen, die Aktien kaufen und verkaufen. All das wird auf der Wall Street abgewickelt im Rahmen jener Welle neuer Industrien mit billiger Arbeitskraft. Die Konzerne der Vereinigten Staaten brauchen schon nicht mehr ihre Fabriken in diesem Land zu schließen und nach Mexiko, Indonesien, Puerto Rico oder andere unterdrückte Länder auf der Suche nach dieser Sklavenarbeit zu gehen. Sie brauchen nur in einen anderen Einzelstaat zu gehen, eine Strafanstalt zu bauen und die Häftlinge für 23 Cent und ein bis zwei Dollar die Stunde die Waren produzieren zu lassen, die normalerweise von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern hergestellt wurden.
Das ist m.E. eine reale Bedrohung für die Gewerkschaftsorganisationen, denn die Auswirkungen sind Lohnsenkungen und Zerstörung der Gewerkschaftsbewegung in den Vereinigten Staaten. Deshalb halten wir es für sehr wichtig, daß sich die Gewerkschaftsbewegung mit dem Thema der Sklavenarbeit in den Strafanstalten befaßt und daß sich jene Arbeiter der Strafanstalten in Gewerkschaften organisieren. Denn sie sind beschäftigungslose Arbeiter, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Notlage gezwungen sind, zuerst einmal in die Gefägnisse zu gehen. Telefongesellschaften wie beispielsweise die IT&T und die Sprint haben Gewinn aus den Häftlingen geschlagen, denn in diesen Anstalten können Anrufe in Form von R-Gesprächen getätigt werden. Die Telefonkonzerne kassieren drei Dollar pro Gespräch, und das bringt ihnen Riesengewinne ein. Sie haben Telefonbücher herausgegeben zur Förderung dieser Art Sklavenarbeit in den Strafanstaltindustrien, die es in allen diesen Einrichtungen der Vereinigten Staaten gibt. Die Landesregierung hat bei der Erweiterung dieser Strafanstalten ebenfalls ihre Rolle gespielt.
Seit 1996 hat die Regierung mehr Geld für den Bau von Gefängnissen als für den Bau von Universitäten ausgegeben. Das weist darauf hin, was die Regierung mit den Jugendlichen und der kommenden Generation dieses Landes vorhat. Die sich daraus ergebende Botschaft lautet: Es ist besser, die Jugendlichen in die Strafanstalten zu bringen als sich um ihre Bildung zu kümmern und ihnen einen Arbeitsplatz zu beschaffen, damit für ihre Zukunft gesorgt ist.
Durch das Drogenproblem erfolgt ein ständiger zahlenmäßiger Anstieg der weiblichen Häftlinge. Hauptobjekt des Drogenverkaufs in den Vereinigten Staaten sind die schwarzen Männer.
Der progressistischen Gruppe Human Wrights Watch sind zahlreiche Studien zu den sozialen Problemen der Vereinigten Staaten zu verdanken. Vorige Woche wurde eine Studie veröffentlicht, der zufolge die Dauer des Strafvollzugs bei Drogendelikten für Schwarze das Dreizehnfache der der Weißen betragen kann, obwohl es in den USA fünfmal mehr weiße Dealer gibt.
Die härtesten Strafen gegen Neger wegen Beteiligung am Drogenhandel verhängt der Staat Illinois, wo die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wegen Drogenbesitzes für einen Neger 57mal höher liegt als für einen Weißen, daher auch der viel höhere Einkerkerungsgrad; in Illinois liegt er bei 90 %.
Bis zum Jahr 2006 soll die Zahl der Häftlinge in den Bundeshaftanstalten um 50 % angestiegen sein, das heißt also auf 200 000 im Vergleich zu den 130 000 gegenwärtig Inhaftierten. Gründe dafür sind u.a. die harte Bestrafung des Drogenhandels, die Abschaffung der bedingten Freilassung und das Fehlen eines Programmes der Rehabilitation für die Drogenfälle.
Für die Gefängnisse der Vereinigten Staaten sind die Rehabilitationsprogramme faktisch abgeschafft worden. Daher müssen die sogenannten von der Regierung anzubietenden Lösungen von Privatgesellschaften der Wall Street ausgehen. Nun kommen all jene Menschen schlicht und einfach in die Gefängnisse, denn die Einrichtungen für Personen mit mentalen Problemen und die Rehabilitationszentren für Drogenabhängige wurden mangels Gewinnerzielung geschlossen. So funktioniert der Kapitalismus in den Vereinigten Staaten.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Strafanstalt-Industrie-Komplex diesen Menschen, die straffällig geworden sind, den Asozialen und Akteuren anderer Straftaten keinerlei Rehabilitation zukommen läßt. Er ist einfach nur an dieser dem kapitalistischen System innewohnenden Repression beteiligt; dieses kapitalistische System, von dem wir wissen, daß sein Hauptanliegen das Profitstreben auf Kosten fehlender Leistungen für die vielen Bedürftigen ist.
Dem Warenwert nach produzieren die Häftlinge in den Vereinigten Staaten 1,1 Milliarde Dollar, und das Hauptinteresse dieses Komplexes besteht im Erzielen von Gewinn, ganz gleich wie, wenn sich nur ihre Taschen füllen, sei es auch auf Kosten menschlicher Wesen.
Diese Situation in den Vereinigten Staaten hat etwas sehr Heimtückisches an sich. Mumia hat umfassend dazu Stellung genommen. Auch Shaka hat zu diesem Thema gesprochen. Und wir sind der Meinung, daß Mumia, Shaka und viele andere politische Gefangene in der Tat das rassistische Antlitz des Gefängnislebens darstellen. Mumia verkörpert den Kampf gegen die polizeiliche Gewalt in diesem Land. Das ist der Grund, weshalb wir der Meinung sind, daß die Regierung der Vereinigten Staaten gemeinsam mit den herrschenden und den sie unterstützenden Klassen das Schweigen Mumias beabsichtigt; nicht seinen Tod, sondern sein Schweigen, denn Mumia hat sich geweigert, zu diesen Ungerechtigkeiten und all den Tatsachen zu schweigen, auch wenn sich dieses ungünstig auf seine persönliche Lage auswirkt.
Vergangenes Jahr streikten beispieltsweise in New York die Beschäftigten der ABC für bestimmte Rechte. Mumia konnte sich hier an einem sehr wichtigen Programm des nationalen Fernsehens beteiligen, am Programm 20/20, mit Sam Donaldson - diese Beschäftigten streikten gegen die ABC - und konnte über diese Medien vielen Menschen in den Vereinigten Staaten seine Version zu den Tatsachen kundtun und weigerte sich, die Streikmauer zu durchbrechen. Er ist ein so ehrenhafter Mensch, trat stets ein für die Rechte der Arbeiter und der Armen; und deshalb sind wir der Meinung, daß er für unsere Bewegung von so großer Bedeutung ist. Wir müssen diesen Kampf für ein neues Verfahren für Mumia verstärken, denn er muß seine Freiheit erhalten. Er hätte nie eingekerkert werden dürfen.
Die breiten Massen der Vereinigten Staaten, deren Köpfe von den kapitalistischen Medien - ABC, CBS und NBC - unter Kontrolle gehalten werden, werden tagtäglich einer Gehirnwäsche ausgesetzt. Es wird ihnen eine äußerst negative Vorstellung von jenen Personen versucht zu vermitteln, die im Gefängnis sind. Sie werden als Straftäter hingestellt, die hinter Schloß und Riegel bleiben müssen, da sie eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Damit werden die breiten Massen der USA Tag für Tag überschwemmt. Wir müssen fordern: "Dieser Mann verdient ein neues Verfahren." Es ist dies die einzige Form, wie wir seine Freilassung erreichen können, und das verstehen die Leute. Das muß so kundgetan werden, daß es für die Menschen begreiflich wird und de facto begreifen sie es. Denn wenn wir die Möglichkeit erhalten, all diese neuen Beweise zum Fall Mumia beizubringen, all diese neuen Beweise, die hier bei dieser Podiumsdebatte bereits dargelegt wurden, dann kann es sein, daß die Menschen sagen: "Also, dieser Mann hat tatsächlich kein gerechtes Verfahren bekommen. Verdient er etwa keinen gerechten Prozeß? Ist es nicht ein Recht aller?" Viele der Beweise wurden vorenthalten, und es hat viele Regelwidrigkeiten in seinem Fall gegeben.
Ich denke, wenn das alles erst einmal bekannt wird, dann werden die Menschen beginnen, nicht nur all das in Frage zu stellen, was mit Mumia geschah, sondern sie werden auch all die Aspekte des US-amerikanischen Rechtssystems mit anderen Augen betrachten. Das ist letztendlich auch unser Bestreben, daß sich die Menschen wieder und wieder über die Ungerechtigkeiten Gedanken machen, die Tag für Tag in den Vereinigten Staaten zu beobachten sind, sowie über viele Dinge, die ihnen ganz einfach unbekannt waren. Viele wissen vielleicht nicht, daß das Oberste Gericht von Pennsylvanien 1998 zum zweiten Mal den Berufungsantrag Mumias ablehnte. Die Bewegung für die Freilassung Mumias beschloß ein Kampfprogramm für ein erneutes Verfahren. Mit dieser Bewegung wurde versucht, die Unterstützung für seinen Fall zu erweitern. Wir wollen dabei keine Bemühungen unterlassen. Wir haben Kundgebungen veranstaltet, auch eine sehr bedeutende Demonstration am 7. Mai im Madison Square Garden, an der 6000 Menschen teilnahmen sowie Verbreitung der Reden Mumias anläßlich mehrerer Veranstaltungen der Schul- und Universitätsabsolventen.
Das war eine große Hilfe, um die Unterstützung umfassender zu gestalten und beizutragen, daß der Name Mumia den Menschen in den Vereinigten Staaten vertraut wird.
Randy Alonso: Danke, Monika, für deine Erläuterungen und vorgetragenen Argumente. Du erwähntest etwas, das uns sehr wichtig scheint, daß Mumia gesagt habe, seine Stimme könne nicht zum Schweigen gebracht werden. Und es ist so, sie kann nicht zum Schweigen gebracht werden.
Für unseren heutigen Abschluß nun ein paar sehr rührende Minuten, die uns tief ergreifen, und zwar erfuhr Mumia, daß diese Podiumsdebatte heute, an diesem Montag stattfinden würde; und aus seiner Haft sandte er eine Botschaft an diese Podiumsdebatte und eine Botschaft an das kubanische Volk.
Mumia Abu-Jamal: Es lebe John Africa!
Es lebe Cuba Libre!
Es lebe die Revolution!
Es lebe Fidel!
Meine Brüder und Schwestern in Kuba!
Danke für die Einladung und die Möglichkeit zu euch zu sprechen. Ich heiße Mumia und bin ein politischer Gefangener der Vereinigten Staaten.
Dieses Land spricht über Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit, doch es ist ein Gefängnis der Nationen. Ein Land, in dem mehr als zwei Millionen Männer, Frauen und Jugendliche in US-amerikanischen Gefängnissen eingesperrt sind. Ein Land, in dem die Polizei auf Neger wie Amadou Diallo schießt, der durch 41 Kugeln getötet wurde wegen seines großen Verbrechens, im weißen Amerika ein Schwarzer zu sein. Amadou Diallo wußte es nicht, doch seine Todesstrafe war ihm vorbestimmt! Das ist sie, die US-amerikanische Gerechtigkeit.
Und was geschieht mit den Kubanern hier in den Vereinigten Staaten? Ich habe viele von ihnen in den Gefängnissen Pennsylvaniens kennengelernt. Sie sind in den US-amerikanischen Gefängnissen inhaftiert ohne jeglichen Termin für ihre Haftentlassung, denn sie sind Marielitos (Floßflüchtlinge). Die ihnen von den Richtern verhängte Haftzeit hat nichts zu bedeuten; niemals werden sie aus dem Gefängnis wieder herauskommen. Das geschieht mit den Kubanern nach US-amerikanischen Rechtsnormen.
Mehr als 3000 Männer, Frauen und Jugendliche warten in den Zellen der Verurteilten der Vereinigten Staaten auf den Tod. Die meisten ohne Anwalt. Einige haben Anwälte, die während des Prozesses ihrer Mandanten schliefen; andere mit Polizisten, die Geständnisse erlogen. Mit schwarzen Geschworenen, die üblicherweise abgesetzt werden. Die US-amerikanische Gerechtigkeit.
Meine Brüder und Schwestern Kubas, ich danke euch für diese Gelegenheit. Hier geht der Kampf für die Freiheit weiter!
Wir werden siegen!
Ona move. Es lebe John Africa!
Das ist Mumia Abu-Jamal.
Randy Alonso: Ich glaube, es war ein Privileg dieser Podiumsdebatte, diese Botschaft Mumias aus dem Gefängnis heraus hören zu dürfen, in spanischer Sprache und sich äußerst bemühend, damit sie unser Volk hören konnte. Ich glaube, es gibt keinen besseren Abschluß für unsere Podiumsdebatte, die heute den Fall Mumia Abu-Jamal und andere bedeutende Fälle im Rahmen von Rassismus und Ausgliederung behandelt hat, wodurch in den Vereinigten Staaten viele Menschen zu Unrecht verurteilt werden, sowie über das gesamte System der Rassentrennung, das all den heute hier behandelten Fällen zugrunde liegt.
Dabei denke ich auch daran, daß heute vor 47 Jahren Ethel und Julius Rosenberg ermordet wurden; und ich möchte mit dem Verlesen eines Gedichtes schließen, das Ethel kurz vor ihrer Hinrichtung ihren Kindern hinterließ.
Ihr, meine Kinder, werdet erfahren,
warum wir das Lied nicht mehr singen.
Das Buch ungelesen, die Arbeit unverrichtet,
um unter der Erde zu ruhen...
Grämt euch nicht mehr, meine Kinder, nicht mehr
der Lüge wegen, die uns tötet.
Mit einer Träne der Unschuld und dem Schmerz
werdet ihr erhobenen Hauptes schreien.
Die Erde wird lächeln, meine Kinder, sie wird lächeln
und über dem Grün des Grabes, wenn wir gesiegt haben werden,
wird die Welt fröhlich sein,
und die Menschen werden sich lieben
in Brüderlichkeit und Frieden.
Arbeitet und errichtet ein Denkmal dem Glück,
den Werten der Menschheit,
dem bis zum Ende standhaften Glauben.
An euch,
für euch...
Für uns, für Kuba, für das US-amerikanische Volk, damit die Glocken nicht mehr läuten müssen wegen Mißbrauchs, Diskriminierung und Ungerechtigkeit, werden wir unsere Schlacht weiter schlagen.
Vielen Dank.