REDE VON ARMEEGENERAL RAÚL
CASTRO RUZ, VORSITZENDER DES STAATS- UND MINISTERRATS, ZUR TAGUNG AUF
MINISTEREBENE DES KOORDINATIONSBÜROS DER BEWEGUNG DER BLOCKFREIEN STAATEN AM
29. APRIL
Hochverehrte Teilnehmer an dieser Tagung auf Ministerebene!
Für unser Volk und unsere Regierung ist es eine Ehre, erneut Gastgeber
einer Tagung der Blockfreien Staaten auf hoher Ebene zu sein. Seit der Durchführung
der 14. Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs im September
Damals sagte ich Folgendes:
„Aufbauend auf den soliden Grundlagen unserer
historischen Siege im Kampf zur Dekolonisation und zur Beseitigung des
Apartheid; mit der reichhaltigen Erfahrung unserer Bemühungen um eine neue
Weltwirtschaftsordnung und für den Frieden, die Abrüstung und die wirkliche
Ausübung des Rechts auf Entwicklung wird die Bewegung der Blockfreien Länder
jetzt heroische Schlachten gegen den Unilateralismus, die Janusköpfigkeit und
die Straflosigkeit der Mächtigen auskämpfen müssen; für eine gerechtere und gleichmäßigere
Weltordnung als den Neoliberalismus, die Ausplünderung und die Ausbeutung und
für das Überleben der menschlichen Gattung gegenüber dem irrationellen Konsum
der reichen Länder.” – Ende
des Zitats
Die zu jenem Anlass festgestellten Herausforderungen sind nicht nur
bestehen geblieben, sondern sind noch gefährlicher und dringlicher geworden. Deshalb
ist jetzt die Notwendigkeit, dass die Bewegung ein abgestimmtes, einiges Handeln
an den Tag legt, vitaler und dringlicher denn je.
Eine tiefgehende Krise in solchen Bereichen wie Wirtschaft, Soziales,
Nahrungsmittel, Energie und Umwelt fügt uns Schaden zu und hat globalen
Charakter angenommen. Die internationalen Debatten vervielfachen sich, aber
nicht unter Teilnahme aller Länder. Es ist ein wachsendes Bewusstsein darüber
vorhanden, dass es notwendig ist, kurzfristig Antworten zu finden, jedoch die
gerechten und dauerhaften sind noch zu erreichen.
Wenn wir nicht mit der notwendigen Beharrlichkeit und Dringlichkeit
handeln, werden es erneut unsere Völker sein, welche weiterhin die schlimmsten
Folgen dieser Krise zu tragen haben werden.
Es ist unmöglich, die ungerechten und irrationalen Konsummuster
aufrecht zu erhalten, welche der gültigen internationalen Ordnung als Grundlage
gedient haben, die von einigen Wenigen auferlegt wurde und die wir uns
einzuhalten gezwungen sahen. Eine auf hegemonischen Absichten und dem Egoismus
von privilegierten Minderheiten gegründete globale Ordnung ist weder legitim
noch ethisch zumutbar. Ein System, das die Umwelt zerstört und den ungleichen
Zugang zu den Reichtümern ausbaut, ist nicht dauerhaft. Die Unterentwicklung
ist eine unvermeidbare Folge der jetzigen Weltordnung.
Der Neoliberalismus ist als Wirtschaftspolitik gescheitert. Der Mythos
der Vorteile des Marktes und seiner Regellosigkeit, des angeblichen Nutzens der
Privatisierungen und der Verminderung der Wirtschaftskraft und
Redistributionsfähigkeit der Staaten und die Glaubwürdigkeit der
Finanzeinrichtungen werden heute bei jeglicher objektiven Analyse vollkommen in
Frage gestellt.
Als Kuba im Jahr 1979, das heißt
vor 30 Jahren, zum ersten Mal den Vorsitz der Bewegung der Blockfreien Staaten
einnahm, hat der kubanische Revolutionsführer, Genosse Fidel Castro, vor den
negativen Folgen gewarnt, welche Ausgaben über 300 Milliarden Dollar für Waffen
und die Auslandsschuld der unterentwickelten Länder in der gleichen
Größenordnung mit sich bringen.
Zu jenem Anlass berechnete
Genosse Fidel, dass damals mit jenem Betrag Folgendes hätte getan werden können
– ich zitiere: „in einem Jahr 600 000 Schulen mit einer Aufnahmefähigkeit
für 400 Millionen Kinder bauen; oder 60 Millionen komfortable Wohnungen für
insgesamt 300 Millionen Menschen; oder 30 000 Krankenhäuser mit 18 Millionen Betten; oder 20 000 Fabriken,
welche Beschäftigung für mehr als 20
Millionen Beschäftigte beschaffen könnten; oder 150 Millionen Hektar Ländereien
mit Bewässerungssystemen versehen, welche mit einem angebrachten fachlichen
Niveau eine Billion Menschen ernähren könnten”, schloss er ab.
Natürlich wurde nichts getan und die Situation hat sich dramatisch
verschärft. Es ist ausreichend, darauf hinzuweisen, dass zurzeit die jährlichen
Militärausgaben den Betrag von 1 Billion Dollar überschreiten; die Zahl der
Arbeitslosen könnte sich im Verlaufe des Jahres 2009 bis auf 230 Millionen
erhöhen; und in knapp einem Jahr ist im Jahr 2008 die Zahl der Hungernden auf
der Welt von 854 Millionen auf 963 Millionen gestiegen.
Einschätzungen
der UNO gemäß wären 80 Milliarden Dollar jährlich über ein Jahrzehnt
ausreichend, um die Armut, den Hunger und den Mangel an Gesundheits- und
Bildungsdiensten und an Wohnraum auf dem gesamten Planeten zu beseitigen.
Dieser Betrag ist dreimal geringer, als jene Summe, welche die Länder des
Südens jedes Jahr zur Tilgung der Auslandsschuld zahlen.
Eine
grundlegende Veränderung im System der internationalen Wirtschaftsbeziehungen
ist unumgänglich. So haben es vor knapp 35 Jahren die Länder unserer
Bewegung gefordert, als sie die Erklärung und das Aktionsprogramm zur
Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung entworfen haben, die
in der sechsten außerordentlichen Sitzungsperiode der Vereinten Nationen im Mai
1974 angenommen wurden.
Die Überwindung der globalen Wirtschaftskrise verlangt ein
einvernehmliches Vorgehen unter universeller, demokratischer und
gleichberechtigter Teilnahme aller Länder. Die Antwort kann nicht aus einer von
den Regierenden der mächtigsten Länder hinter dem Rücken der Vereinten Nationen
ausgehandelten Lösung bestehen.
Die Lösung der G-20, die Rolle und die Funktionen des Weltwährungsfonds
zu stärken, dessen unheilvolle Richtlinien entscheidend zur Entwicklung der
jetzigen Krise beigetragen haben und die deren Umfang verschlimmert haben, löst
ebenfalls nicht die Ungleichheit, die Ungerechtigkeiten und die Unhaltbarkeit
des jetzigen Systems.
Die für den 1. bis 3. Juni vorgesehene UNO-Konferenz auf höchster Ebene
über die Wirtschafts- und Finanzkrise
und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung stellt den unumgänglichen Rahmen dar,
um Konsens-Vereinbarungen für diese schwerwiegende Situation zu debattieren und
zu suchen. Die Bewegung der Blockfreien Staaten muss ihre Austragung
unterstützen.
Diese Bewegung hat seit ihrer Gründung den Willen bewiesen, für den
Frieden zu arbeiten, für die Sicherheit der Gemeinschaft der Nationen und in
Verteidigung des Völkerrechts. Die Beseitigung der Massenvernichtungswaffen,
vor allem das Erreichen der atomaren Abrüstung, ist weiterhin eine vorrangige
Aufgabe.
Die Ausübung des Multilateralismus erfordert die strikte Achtung der
Souveränität der Staaten, ihrer territorialen Integrität und der
Selbstbestimmung der Völker. Er macht es ebenfalls erforderlich, auf die
Bedrohung der Gewaltanwendung und deren Gebrauch in den internationalen
Beziehungen, auf hegemonische Ansprüche und imperiale Handlungsweisen zu
verzichten. Derselbe erfordert, die ausländische Besatzung zu beenden und
jegliche Straflosigkeit bei kriminellen Aggressionen, wie jenen von Israel
gegen das palästinische Volk vorgenommenen, zu verweigern.
Die Bewegung muss an allen wichtigen Debatten der internationalen
Tagesordnung, an dem jeweiligen Sitz verschiedener Organisationen und
multilateralen Foren mit einer so umfangreichen Mitgliederzahl als möglich teilnehmen.
Niemals, um mit anderen Organisationsformen zu wetteifern, welche die Länder
des Südens vertreten, sondern, um uns gegenseitig zu stärken und zu ergänzen.
Wir müssen ständig die Arbeitsmethoden der Bewegung verbessern. Die
Erfüllung des uns selbst entworfenen Aktionsplans stellt ein unerlässliches
Werkzeug bei der Bestimmung unserer Prioritäten und der zu erfüllenden Aufgaben
dar.
Wir müssen alle schon ab jetzt daran arbeiten, eine erfolgreiche 15.
Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs im kommenden Juli in Ägypten abzusichern.
Wir sollten kritisch das bis jetzt Durchgeführte bewerten und uns
Zielstellungen und Ziele stellen, die den jetzigen und zukünftigen Problemen
und Herausforderungen entsprechen.
Schließlich möchte ich im Namen von Kuba den Dank unserer Regierung und
unseres gesamten Volkes für die standhafte und unveränderliche Solidarität der
Bewegung der Blockfreien Staaten gegenüber der kubanischen Revolution zum
Ausdruck bringen, besonders für ihre ständige Forderung, die ungerechte
Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der Vereinigten Staaten zu
beenden.
Auch wenn die kürzlich von Präsident Obama angekündigten Maßnahmen positiv
zu bewerten sind, so ist ihre Reichweite doch minimal. Die Blockade blieb
unangetastet. Es gibt weder einen politischen noch einen moralischen Vorwand,
der die Fortsetzung jener Politik rechtfertigt.
Kuba hat weder den Vereinigten Staaten noch deren Bürgern
irgendeine Sanktion auferlegt. Nicht
Kuba ist derjenige, der es den Unternehmern jenes Landes verweigert, Geschäfte
mit unserem Land zu tätigen. Nicht Kuba
ist derjenige, welcher die finanziellen Transaktionen von US-amerikanischen
Banken verfolgt. Nicht Kuba ist derjenige, welcher gegen den Willen dessen
Volkes einen Militärstützpunkt auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten besitzt,
usw., usw., usf., - um die Liste nicht unendlich zu machen – und deshalb ist
nicht Kuba derjenige, der Gesten guten Willens machen sollte.
Wir haben wiederholt gesagt, dass wir bereit sind, mit der US-Regierung
über alles zu sprechen, aber unter gleichen Voraussetzungen und ohne weder über
unsere Souveränität noch unser politisches und soziales System, das Recht auf
Selbstbestimmung oder unsere inneren Angelegenheiten zu verhandeln.
Und wenn sie über all das diskutieren möchten, dann so, wie wir es aus
diesem Grund kürzlich bei einem Gipfel der ALBA in Venezuela gesagt haben: alles
diskutieren, alles, einfach alles, das Unsrige, aber auch das Ihrige und unter
gleichen Bedingungen.
Die größte Kraft unserer Bewegung besteht in seiner Einheit innerhalb
der Mannigfaltigkeit, welche uns auszeichnet. Dies war die Grundvoraussetzung
der Ausübung der kubanischen Präsidentschaft während dieser Amtszeit von knapp
drei Jahre.
Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass die Bewegung der Blockfreien
Länder weiterhin ein konstruktiver Hauptakteur bei den internationalen Debatten
sein wird. Kuba wird sein Streben beibehalten, zu dieser Zielstellung
beizutragen.
Ich wünsche Ihnen Erfolg auf dieser Tagung auf Ministerebene!
Vielen Dank!