Reflexionen des
Genossen Fidel
DAS DARF NIEMALS VERGESSEN WERDEN
Am
vergangenen Dienstag, dem 21. September, habe ich mich um 9:00 Uhr mit über 600
Passagieren des Kreuzfahrtschiffs für den Frieden (Peace Boat) getroffen, fast
alle japanischer Staatsangehörigkeit, zu denen eine Überlebende des Massenmords
in der Stadt Hiroshima gehörte, die zum Zeitpunkt der Tat zwei Jahre alt
war.
Das
kubanische Landesfernsehen hat das Treffen übertragen, aber die Übersetzung im
Konferenzraum des Kongresspalasts erfolgte nicht simultan und die Stimmen der
Dolmetscherinnen, die diese schwierige Aufgabe ausgeführt haben, überdeckten
meine Worte. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine Reflexion über das Thema
zu verfassen.
Ich
habe die Möglichkeit genutzt, um das von mir Gesagte zu kürzen und die
übermittelten Ideen besser zu ordnen, wobei ich aber seinem Inhalt vollkommen
treu geblieben bin.
Die
Worte der anderen beteiligten Personen habe ich vollständig übertragen.
Trotz
meiner Bemühungen war die Reflexion schließlich doch lang, da das Treffen
zweieinhalb Stunden gedauert hat. Deshalb habe ich mich entschlossen, sie in
drei Teile zu unterteilen, die man in aufeinander folgenden Tagen
veröffentlichen wird.
Das
Treffen begann mit den Worten von Kenia
Serrano, Präsidentin des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP):
Guten
Tag!
Am
vergangenen 3. September hat der Direktor der Nichtregierungsorganisation
Kreuzfahrten für den Frieden, Herr Yoshioka Tatsuya, unserem Comandante en Jefe
ein Schreiben gesendet, in dem er ihn darum bat, die Leitungsmitglieder des
Kreuzfahrtschiffes und die mitreisende Überlebende von Hiroshima und Nagasaki
zu empfangen. Der Comandante hat eingewilligt und hat mit Vergnügen ebenfalls
eine umfangreiche Vertretung der Passagiere zu diesem Treffen eingeladen.
Wir
nehmen heute, am 21. September, der von den Vereinten Nationen zum
Weltfriedenstag erklärt worden ist, an diesem Treffen teil, und natürlich unter
der für uns denkwürdigen Anwesenheit unseres lieben Comandante en Jefe Fidel
Castro Ruz. (Beifall)
Ich
stelle Ihnen das Präsidium unseres Treffens vor: Herr Nao Inoue, Leiter dieser Seereise des
Kreuzfahrtschiffes für den Frieden (Beifall); Frau Matsumi Matsumura, ebenfalls
Leitungsmitglied des Kreuzfahrtschiffes für den Frieden, die uns helfen wird,
dieses Treffen ins Spanische zu übersetzen (Beifall); Frau Junko Watanabe,
Mitglied der Bewegung Hibakusha, Überlebende von Hiroshima und Nagasaki, und
Susana García, Dozentin der Universität von Havanna, die ebenfalls diesen
Dialog ermöglicht, indem sie ins Japanische übersetzt, wie ihr sehen könnt.
(Beifall).
Comandante...
Comandante: Was ist jetzt meine Aufgabe, eine
Rede?
Kenia Serrano: Eine Begrüßung, das möchten wir alle.
Comandante: Nein, die Wahrheit ist, dass ich gekommen bin, Fragen zu beantworten. Ich
habe Sie gefragt, was meine Aufgabe ist und man hat mir nichts gesagt.
Ich
möchte an erster Stelle für die erwiesene Ehre danken, die dieses Treffen
bedeutet.
Wie Ihnen
bekannt ist, war ich wenig in der Öffentlichkeit, ich habe Zeitungen gelesen;
aber ich habe viele Ihrer Treffen verpasst, weshalb ich im Nachhinein die
gesamte Entwicklung im Detail erfahren habe. Ich habe schon viel über Sie
erfahren: wie oft Sie in Kuba gewesen sind, dass Sie 1990 begonnen haben,
1995,1997 und 1998 erneut gekommen sind; in den Jahren 2000, 2001 und 2002, zweimal;
dann 2005, 2007 und 2009, und jetzt, sodass es, soweit ich weiß, insgesamt 14
Reisen sind.
Nun
gut, die Sache ist so: Als ich die Einladung erhalten habe, hat es mich sehr
erfreut, einen Meinungsaustausch mit Ihnen führen zu können, und zwar aufgrund
der Bedeutung des Augenblicks, in dem wir jetzt leben, denn es ist nicht
irgendein Zeitpunkt; außerdem aus einem Dankbarkeitsgefühl heraus, da mir Ihre
Solidarität während all der Jahre bekannt ist, außerdem die Schwierigkeiten,
die Kampfaktionen gegen die Blockaden, die Identität und Nationalität des
Schiffes selbst, die Häfen, die Sie anlaufen konnten und diejenigen, die Sie
nicht anlaufen durften, ob man Sie mit Treibstoff versorgte oder nicht, und
weiterer ähnlicher Schwachsinn unseres wichtigsten Gegners, mit dessen Methoden
niemals eine Welt des gegenseitigen Verständnisses und des Friedens auf unserem
Planeten erreicht werden kann.
Wenn
ich mich an Ihre Losung erinnere, die meines Erachtens einen besonderen Wert
hat: „Lerne aus den vergangen Kriegen, um eine friedliche Zukunft aufzubauen“,
dann ist das mit Sicherheit eine Aussage, die immer ihre Bedeutung haben wird,
aber im Augenblick hat sie diese mehr denn je. Ohne Befürchtung mich zu irren,
wage ich zu sagen, dass es niemals in der Menschheitsgeschichte einen so
gefährlichen Augenblick wie diesen gegeben hat. Sodass es sich bei Ihrer Reise
nicht um eine einfache Reise handelt, es handelt sich um einen realen, ernsten
Kampf, und das, was ich sage, kann bewiesen werden. Ich hoffe, dass beim
Meinungsaustausch veranschaulicht wird, wie darüber gedacht wird, bzw. welche
Lösungen möglich sein könnten; realistische Lösungen und nicht nur ein Ausdruck
edler Wünsche.
Das
Treffen hat für mich eine sehr große Bedeutung, besonders wegen der von Ihnen
zum Thema gesammelten Erfahrung.
In
diesen Tagen jährte sich erneut jenes brutale und ungewöhnliche Ereignis, bei
dem zum ersten Mal Atomwaffen auf friedliche Städte abgeworfen wurden.
Es
wurde wirklich überall auf der Welt dessen gedacht, was am 6. August 1945 in
Hiroshima geschehen ist. Ich hatte mein Abitur abgeschlossen, daran erinnere
ich mich, es war Sommer, ich war in Santiago de Cuba zu Besuch, als die
Nachricht kam, und niemand hatte auch nur die geringste Idee, dass es eine
Waffe dieser Art gab. Ich glaube drei Tage danach wurde die zweite Atombombe
abgeworfen.
Darüber
kann ich später mehr sagen, welche Gefühle mich heimsuchten und was für eine
Meinung ich mein ganzes Leben lang immer bezüglich dieses Ereignisses hatte.
Aber es ist ein Beispiel für jene Dinge, die dazu beitragen, Bewusstsein zu
erlangen, denn die Vorführung all dessen, was dort geschah und den Schaden, den
es den Menschen zugefügt hat, hat trotz der verflossenen Zeit erneut die
Weltöffentlichkeit bewegt. Ich glaube nicht, dass etwas anderes geschehen ist,
dass in höherem Maße zum Ausdruck bringen kann, was Krieg bedeutet.
Nun
gut, ich habe Ihnen, glaube ich, genügend Zeit geraubt, um diese anfänglichen
Worte zu sagen. Jetzt möchten wir Sie anhören. Ich bin bereit, jede Frage zu
beantworten, die Sie mir stellen möchten, und zwar jeder Art. Ich habe
keinerlei Geheimnisse, jedes Thema kann behandelt werden.
Ich
würde gern von unserer Übersetzerin wissen, wie sie zurecht gekommen ist. Ja,
von dir, von dir (Gelächter und Beifall).
Dolmetscherin: Gut, anscheinend gut, Comandante.
Comandante: Sehr gut.
Kenia Serrano: Danke, Comandante.
Herr
Nao Inoue, ich möchte Sie bitten.
Nao Inoue: Guten Morgen! (Ausrufe: „Guten Morgen!“)
Ich
möchte zuallererst unseren tiefsten Dank dafür aussprechen, dass Sie uns dieses
Mal empfangen haben.
Ich
heiße Nao Inoue, Leiter der Kreuzfahrt in ihrer Ausgabe 70. Ich möchte Ihnen
einige Worte im Namen aller Peace Boat-Mitglieder sagen.
Es scheint,
dass wir schon verstanden haben, dass Sie viel über unsere Organisation gelernt
haben. Wir haben diese Organisation im Jahr 1983 gegründet, das sind jetzt
schon mehr als 27 Jahre. Wir haben bis jetzt 70 weltweite Kreuzfahrten
durchgeführt, an denen über 40.000 Japaner teilgenommen haben.
Wie
Sie wissen, sind es schon insgesamt 14 Reisen nach Kuba und auch für uns ist
dieses Jahr sehr wichtig, denn es ist der 20. Jahrestag, deshalb hat es für uns
große Bedeutung, Sie persönlich kennen zu lernen, Comandante.
Während
dieser 20 Jahre haben wir alle Bemühungen darein gelegt, Brücke zwischen dem
kubanischen und dem japanischen Volk zu sein, und wir sind auch immer gegen die
ungerechte, aber wirklich vollkommen ungerechte Blockade gewesen.
Wir
sind der Meinung, dass es sehr relevant ist, diese Brückenfunktion weiter
auszuführen, und nicht nur zwischen dem kubanischen und dem japanischen Volk,
d.h. zweiseitig, sondern ebenfalls unter Einschluss der lateinamerikanischen
Länder und der asiatischen Länder. Der Grund dafür, dass wir verstärkt daran
arbeiten wollen, besteht darin, dass wir eine Welt in Frieden fördern möchten,
eine nachhaltige Welt, an erster Steller mit Kuba, und wir beginnen gerade, die
brüderlichen Freundschaftsbande mit Venezuela, Ecuador und Nicaragua zu
vertiefen. Von diesen Ländern ist Kuba das Land, das wir am meisten besucht
haben. Wir werden ebenfalls die
Möglichkeit haben, den Präsidenten von Nikaragua, Herrn Daniel Ortega,
kennen zu lernen.
Um die
brüderlichen Freundschaftsbande zwischen den Ländern des ALBA und Japan zu
vertiefen, sind wir dabei, ein Projekt zu beginnen, das Jugend-Kreuzfahrt des
ALBA heißt, und bei dem wir die jungen Menschen aus den Ländern des ALBA an
Bord einladen und Meinungsaustausche, Foren und Lernkonferenzen durchführen,
und wir möchten Sie, Comandante, auch gern bitten, uns bei diesem Projekt zu
unterstützen.
Und
wie Sie erwähnt haben, sind wir das einzige Land, auf das die Atombombe
abgeworfen wurde, und so sind wir der Meinung, dass wir die Verpflichtung haben
und auch die Aufgabe, Botschaften für eine von Atomwaffen freie Welt zu
übermitteln. Wir würden ebenfalls gern mit Ihnen zusammenarbeiten, um die
Beseitigung der Atomwaffen zu erreichen.
Wir
möchten hier auch erwähnen, dass Japan, ein Land ist, dass eine pazifistische
Verfassung hat und auf den Krieg verzichtet und ebenfalls atomare
Massenvernichtungswaffen (sic).
Wir
lernen in den lateinamerikanischen Ländern, dass Sie ebenfalls pazifistische
Verfassungen haben und ebenfalls die Existenz von ausländischen
Militärstützpunkten verbieten. Und wir haben vor, der UNO vorzuschlagen, in
einer UNO-Resolution, dass diese fördert, dass alle Länder der Welt solch eine
wunderbare pazifistische Verfassung bekommen.
Wir
wollen niemals Krieg, wir dürfen die Anwendung der Atomwaffen niemals zulassen.
So wie die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki immer sagen: „Wir wollen
solcherart brutale Tragödie nie wieder erleben.“ Wir wollen eine Welt und eine
Gesellschaft errichten, in der die Leute auch leben wollen, sie wollen nicht in
Armut oder ähnliches leben. Deshalb sind wir der Meinung, dass es sehr wichtig
ist, dass alle Länder diese Art Verfassung haben. Wir haben uns selbst
versprochen, dass wir eine Welt ohne Armut und ohne Hunger schaffen werden, mit
viel Freude und sie muss nachhaltig sein.
Zuletzt
noch etwas. Comandante, ich bin ein großer Fan von Ihnen (Gelächter und
Beifall). Es scheint, dass wir alle Fan
von Ihnen sind.
Wir
wissen, dass Sie sehr beschäftigt sind, aber wir möchten Sie an Bord einladen, um
bis nach Nicaragua zu fahren. Was meinen Sie dazu? (Beifall)
Was denken Sie? (Beifall)
Comandante: Wunderbar! (Beifall)
Nao Inoue: Mit dieser Einladung möchte ich
meine Worte beenden. Vielen Dank! (Beifall)
Comandante: Das wird nicht in der Hurrikan-Saison
sein, nicht wahr? (Gelächter)
Man
hat mir gesagt, dass Sie gestern ankommen sollten, dass aber ein paar
Wirbelstürme auf dem Atlantik wüteten. Um welche Uhrzeit sind Sie schließlich
angekommen?
Nao Inoue: Um 5:00 Uhr früh.
Comandante: Und ist es möglich, die
Geschwindigkeit des Peace Boat zu erfahren? (Gelächter.)
Nao Inoue: Ungefähr wie ein schnelles Fahrrad
(Gelächter).
Comandante: Nun gut, das hängt davon ab, wer
fährt. Die Weltmeisterin erreicht, glaube ich, mehr als 60 Kilometer pro Stunde.
(Gelächter)
Ich
meine, in diesen Zeiten müsste das Peace Boat schneller vorankommen – es ist
dringlicher, die Welt zu bereisen. (Beifall)
Ich
sollte Sie außerdem um Entschuldigung bitten. Ich habe über Ihre Ankunft gestern Früh erfahren und da begann ich
zu überlegen, wie wir das Treffen organisieren können, denn man hatte mir
gesagt, dass Sie um ein Treffen mit einigen von Ihnen gebeten hatten, und ich
sagte mir: „Nun gut, wenn es möglich ist, dann werde ich versuchen, alle zu
begrüßen“. Ich wusste jedoch nicht, um welche Uhrzeit Sie ankommen würden.
Außerdem hatten Sie schon ein Programm für den ganzen Tag vorgesehen. Nun gut,
was tun, um nicht die anderen bzw. das weitere Programm zu behindern? Aus
diesem Grund haben wir dieses Treffen so früh angesetzt. Wir mussten alle sehr
zeitig aufstehen. Ich kann mir
vorstellen, dass Sie…, ich weiß nicht wo Sie zu dem Zeitpunkt waren, ob Sie an
der Reling des Schiffes die Hafeneinfahrt nach Havanna beobachtet oder noch geschlafen
haben. Ich bitte Sie um Entschuldigung, denn ich bin schuld daran, dass Sie das
Programm erweitern mussten. (Beifall) So haben wir schließlich das Treffen für
diese Uhrzeit organisiert, oder besser gesagt improvisiert, damit Sie die
weiteren Aktivitäten durchführen können und nicht meine Beziehungen zu den
anderen Einrichtungen, die Sie empfangen werden, in die Brüche gehen.
Ich
glaube, wir haben eineinhalb Stunden zur Verfügung. Ich habe den anderen
gesagt: Schließlich sollten sie heute eintreffen, werden aber morgen ankommen,
sodass also eine gewisse Flexibilität vorhanden ist. Ich glaube, das Schiff
läuft heute Nachmittag um 17 Uhr aus.
Kenia Serrano: Es ist vorgesehen, um 17 Uhr auf das
Schiff zurückzukehren und um 19 Uhr auszulaufen.
Comandante: Es sollte um 19 Uhr auslaufen?
Kenia Serrano: Jawohl.
Comandante: Stimmt, der Abschluss der
Aktivitäten war für 17 Uhr vorgesehen.
Nun
gut, wenn ein Wirbelsturm dazu gezwungen hat, die Reise zu verzögern, dann ist
es auch keine Tragödie, wenn Sie um 21 Uhr oder 22 Uhr auslaufen, so würden Sie
ein bisschen länger in Havanna sein. Zum Glück erfolgte der Besuch nicht zu
Kriegszeiten sondern im Frieden.
Also
ich bitte nochmals um Entschuldigung.
Hast
du eine Vorstellung, wie dies hier ablaufen wird?
Kenia Serrano: Comandante, es war ergreifend, bei den
Fahrten hat das Kreuzschiff immer Überlebende von Hiroshima mitgebracht –
sowohl im vergangenen Jahr als jetzt – und hier ist Frau Junko Watanabe
anwesend. Ich schlage vor, ihr Zeugnis
zu hören.
Junko Watanabe: Ich möchte vor allem sagen, dass es
eine große Ehre und auch ein Vergnügen ist, Sie kennen zu lernen, Comandante
Fidel Castro, und ich möchte Ihnen meinen herzlichen Dank dafür zum Ausdruck
bringen, dass Sie uns so freundlich empfangen haben.
Ich
möchte ebenfalls meinen Dank für das große Interesse und die Kenntnis zeigen,
die das kubanische Volk über Hiroshima und Nagasaki besitzt. Außerdem hat die
Friedensbewegung von Kuba gestern ein Treffen zu meinen Ehren durchgeführt, das
gleichzeitig eine Kundgebung anlässlich des Internationalen Tags des Friedens
war und eine sehr schöne Veranstaltung im Haus der Völkerfreundschaft gewesen
ist.
Ich
wurde in Hiroshima geboren und habe dann einen Japaner geheiratet und bin nach
Brasilien gezogen, um dort zu wohnen.
Ich bin mit 25 Jahren nach Brasilien gegangen und dann mit 38 Jahren
nach Japan zurückgekehrt, aber in jenem Augenblick habe ich zum ersten Mal
bekannt, dass ich eine Überlebende von Hiroshima und Nagasaki bin.
Ich
bin im Stadtzentrum von Hiroshima geboren, aber während des Zweiten Weltkriegs
war meine Familie außerhalb der Stadt evakuiert, und da ich nur zwei Jahre alt
war, kann ich mich nicht erinnern. Aber als ich von meinen Eltern erfuhr, dass
ich eine Überlebende war, hat mich das sehr beeindruckt.
Um
8:15 Uhr des 6. August 1945 befand sich meine Mutti mit meinem jüngeren Bruder
im Haus. Ich spielte mit meinem älteren Bruder auf dem Hof eines Tempels, der
sich in der Nähe unserer Wohnung befand. Da spürte meine Mutti den starken,
schrecklichen Wind und sah auch das verbrannte Papier, das vor ihrem Haus
niederfiel. Sie war überrascht und kam dann, uns vom Tempel abzuholen. In
diesem Augenblick fiel der schwarze Regen auf uns nieder. Der Regen war schwarz
und klebrig.
Vor
dem Bombenabwurf war das Wetter an jenem Morgen des 6. August sehr schön und es
wird gesagt, dass diese Atombombe in 580 Meter Abstand von der Erde
explodierte.
Comandante: Wie viel Meter?
Junko Watanabe: In fünfhundertachtzig Meter Abstand
von der Erde.
Comandante: Eine Atombombe.
Junko Watanabe: Ja, eine Atombombe.
Comandante: Jene Energie kam vom Uran, es war
nicht Plutonium. Die Plutonium-Bombe war in der anderen Stadt.
Junko Watanabe: Ja, in Nagasaki.
Da sie
in größerer Höhe explodierte, hat sie mit den so heißen Strahlen und dem so
heißen Wind, bis die Leute verbrannt sind, viel Schaden angerichtet. Und nach
der Bombe wurden aller Staub und die Papiere noch oben gewedelt und
anschließend fiel der schwarze Regen mit der Strahlung nieder.
Nachdem
der schwarze Regen auf meinen Körper gefallen war, war dessen Zustand
Folgender:
Comandante: Wie bitte, wiederholen Sie bitte.
Junko Watanabe: Mein Körper wurde geschädigt und
ich werde Ihnen jetzt erläutern, in welchem Zustand er sich befand.
Ich
litt jeden Tag aufgrund des Durchfalls. Ich konnte essen, aber keiner der
Nährstoffe blieb in meinem Körper, alles, was ich aß, kam wieder heraus. Meine
Eltern dachten, dass ihre Tochter sterben würde.
In
Wirklichkeit kann ich mich nicht an diese schrecklichen Szenen erinnern, denn
ich war zwei Jahre alt.
Als
ich 60 Jahre alt wurde, begann ich, in Brasilien in einem Verband teilzunehmen.
In Brasilien leben jetzt 132 Überlebende von Hiroshima und Nagasaki.
Comandante: Wo, in Brasilien?
Junko Watanabe: Ja, in Brasilien.
Comandante: Waren sie Kinder, als sie dorthin
gegangen sind?
Junko Watanabe: Aus verschiedenen Altersgruppen.
Comandante: Die Eltern sind mit ihnen gegangen,
nicht wahr?
Junko Watanabe: Die meisten hatten geheiratet und
sind schon als Erwachsene ohne ihre Eltern hingegangen.
Das
Durchschnittsalter der Überlebenden ist jetzt 75 Jahre, ein zunehmendes Alter.
Deshalb hat der Verbandspräsident in Brasilien sie gebeten, dem Verband zu
helfen, da sie eine junge Überlebende ist.
Wenn
ich auch eine Überlebende bin, so wusste ich doch vor meiner Teilnahme in
diesem Verband nichts über die Atombombe, da ich mich kaum erinnern
konnte.
Dann
hatte ich die Möglichkeit, alle Dokumente zu lesen, die von 200 Überlebenden
von Hiroshima und Nagasaki verfasst worden waren, die in Brasilien lebten und
in denen die Wahrheit darüber festgehalten war, was in Hiroshima und Nagasaki
geschehen ist. Das war der erste Augenblick, in dem mir die Realität der
Atombombe von Hiroshima bekannt wurde. Sie haben die Szene sehr brutal
beschrieben.
Aufgrund
der Schwermut und des Grolls war ich sehr traurig und spürte, dass ich
zitterte.
Ich
habe ebenfalls einen von einem japanischen Journalisten gefilmten
Dokumentarfilm entdeckt. Jedoch nach dem Atombombenabwurf haben die
US-amerikanischen Akademiker diese Information geraubt und in ihr Land
gebracht. Sie wollten uns nie jenes
Video zeigen, dass ich im Büro gefunden habe.
Es war
ein bisschen schwer, es anzuschauen, denn es ist ein sehr altes Filmmaterial.
So habe ich einen Freund gebeten, es zu einem DVD zu verarbeiten.
Zusammen
mit 10 Freunden, die Überlebende sind, haben wir den Film gesehen.
Die
Szenen, die in diesem Dokumentarfilm zu sehen sind, waren zu brutal und ich
habe ihn mit viel Schwermut angeschaut, die Stadt Hiroshima verschwand vor den
Augen.
Ich
habe es im Dokumentarfilm gesehen, d.h. wir haben es gesehen – die Gebäude
vollkommen verbrannt und die Stadt war vollkommen schwarz. Man sah auch Leute herumlaufen, aber ohne
Bewusstsein; von ihren Armen hing die Haut herab, denn sie war geschädigt, die
Augen traten ihnen aus den Augenhöhlen. Die Leute liefen herum, waren sich aber
Nichts bewusst.
Als
ich es im Dokumentarfilm gesehen habe, wurde mir bewusst, dass ich in jenem
Augenblick dort gewesen bin, auch wenn ich mich nicht an diese Szenen erinnern
konnte, und mir wurde ebenfalls bewusst, dass das Menschen getan hatten, und so
spürte ich einen tiefen Groll und Traurigkeit.
Schließlich
begann ich zu überlegen: Wir müssen diese Zeugnisse den nachfolgenden
Generationen übermitteln, und vor zwei Jahren, im Jahr 2008 habe ich am Projekt
Hibakusha mitgearbeitet, das die
Organisation Peace Boat durchgeführt hat, zu dem 100 Überlebende an Bord
eingeladen wurden, und so sind wir gereist und haben in jedem Hafen Zeugnis
abgelegt und ich habe andere Hibakusha auf der Welt kennen gelernt.
In
Vietnam haben wir die Opfer des Agent Orange kennen gelernt, was im
Vietnamkrieg verursacht wurde, und uns wurde bekannt, was diese und ihre Eltern
gelitten haben. Die von ihnen erlittenen
Auswirkungen werden auf die nachfolgenden Generationen übertragen.
Mein
älterer Bruder, mit dem ich im Tempel spielte, ist vor zwei Jahren im Alter von
67 Jahren verstorben.
Nachdem
er, genau wie ich, von dem schwarzen Regen betroffen worden war, litt er immer
an Mangelerscheinungen seines Skeletts und hatte eine schwache Gesundheit. Er
starb im Alter von 67 Jahren an Leberkrebs.
Ich
sehe, wie die Überlebenden nach und nach sterben, und so lebe ich sehr besorgt
um meine Gesundheit.
Ich
würde auch gern eine Geschichte zum Origami vorstellen, das sind Kraniche, die
aus Papier gefaltet werden, was für uns und jetzt auch weltweit ein
Friedenssymbol ist, und bei dieser Geschichte erwähne ich immer das Schicksal
eines Mädchens namens Sadako Sasaki, das im Alter von 12 Jahren an Leukämie
verstorben ist.
Dieses
Jahr, als ich im Mai an der Konferenz über Nichtweiterverbreitung der
Atomwaffen in New York teilgenommen habe, bot sich mir die Möglichkeit, den
Bruder von Sadako Sasaki kennen zu lernen.
Ich
möchte Ihnen ein bisschen die Geschichte von
Sadako Sasaki erläutern. Sie war, so wie ich, dem schwarzen Regen
ausgesetzt gewesen, und wuchs bis zum Alter von 10 Jahren gesund auf. Dann
wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert, da es ihr schlecht ging, und blieb im
Krankenhaus.
Sie
glaubte daran, dass sie gesunden würde, wenn sie 1.000 Kraniche falten würde.
Und nach dem, was ihr Bruder erzählt, faltete sie Kraniche, bis… Nun gut, zu
jener Zeit gab es bei uns kein Papier, so verwendete sie jenes Papier, in das
die Medizin eingewickelt war, und hat auch Kraniche aus Nadeln angefertigt. Sie
hat immer, bis zu ihrem Tode gesagt: „Ich möchte noch weiter leben, ich möchte
noch weiter leben.“
Ich
befinde mich in derselben Situation wie Sadako Sasaki, da ich auch dem
schwarzen Regen im Alter von zwei Jahren ausgesetzt war, sie ist gestorben und
ich überlebe noch. Deshalb spüre ich eine große Verantwortung dafür, zu
übermitteln, was die Atombombe ist und was die Überlebenden sind. Die
Überlebenden müssen bis zu ihrem Tode mit sehr vielen körperlichen Gebrechen
leben und auch seelisch mit viel Kummer, und das müssen wir den nachfolgenden
Generationen übermitteln.
Jetzt
haben wir weltweit gelernt, dass es auf der Welt verschiedene Arten der
Hibakusha gibt, an verschiedenen Orten, zum Beispiel die indigene Bevölkerung
bzw. Urbevölkerung erleidet viele Strahlungsschäden, wenn sie das Uran aus den
Minen fördert, ebenfalls die Menschen, die in der Nähe von Atomkraftwerken
leben. Und diese Dinge müssen wir lernen und auch die Menschen erziehen.
Als
ich vor zwei Jahren am Projekt Hibakusha teilgenommen habe, gab es einen
japanischen Mann, den Regisseur des Dokumentarfilms, der die Kosten für meinen
Aufenthalt an Bord gedeckt hat und dann auch meinen Vati interviewt hat, der 98
Jahre alt ist. Das, was mein Vater
gesagt hat, wusste ich bis dahin nicht. Mein Vater hat Folgendes gesagt. Der Regisseur hat meinen Vater gefragt:
„Warum hast du Junko nicht die Wahrheit gesagt?“
Von
der Bombe bis heute wurden die Mädchen, die die Auswirkungen der Atombombe zu
spüren bekommen haben, obwohl sie Überlebende sind, diskriminiert und es war
sehr schwer für sie zu heiraten. So konnten wir erkennen, dass ich, ein
Überlebender, zum Glück keinerlei körperliche Probleme gehabt habe, aber es
gibt viele Ärzte, die sagen, dass die Strahlungsauswirkungen auch in der
nächsten Generation auftauchen.
Wird
morgen fortgesetzt.
Fidel
Castro Ruz
24.
September 2010
15:38
Uhr